Zeiten im Wandel – Eine Lektion für Hersteller und Händler

Aus aktuellem Anlass möchte ich heute etwas näher auf die Situation eingehen in der sich manche Hersteller aus dem Bereich hochwertiger Herrenkleidung befinden. Bisher war das Geschäft mit der Herrenkleidung sehr von der Öffentlichkeit abgeschottet. Einzig und allein von manchen Herstellern hörte man gelegentlich, dass sie unter Kostendruck zu leiden haben und der ein oder andere nach Ost wie West „flüchtet“ um vermeintlich billiger als die Konkurrenz zu produzieren. Einige große deutsche Hemden-Hersteller wurden und werden dafür kritisiert. Der Mainstream-Kunde lässt sich das gerne gefallen, denn Kleidung und Accessoires zu günstigen Preisen – das mag er. Was aber, wenn Premium-Hersteller, die bisher nicht im Verdacht standen die Möglichkeiten der Globalisierung für sich zu nutzen und sich nun kostengünstiger Produktionsstandorte bedienen. Was wenn diese Hersteller mit aller Macht dann noch versuchen den schönen Schein eines Premium-Produkts zu wahren? Ist das Verrat am Handwerk, vielleicht sogar Verrat am Kunden oder ein schlichter marktwirtschaftlicher Vorgang?

In den vergangenen Monaten durfte viel lernen. Eine Reihe wertvoller Gesprächspartner haben mir hochinteressante Einblicke in die verschiedensten Branchen gegeben. Angefangen von Schuhen bis hin zu Lederwaren habe ich Einblicke bekommen für die ich meinen Gesprächspartnern sehr dankbar bin. Der überraschenste Moment war für mich, als ein Brancheninsider mich darüber aufklärt welche nach außen scheinbar verschiedenen Schuhmarken im Grunde bei ein und dem selben Hersteller gefertigt werden. Statt handwerklicher Idylle herrscht insbesondere im Bereich der hochwertigen Herrenschuhe ein Kostenkampf, der nach außen überhaupt nicht sichtbar ist. Das Marketing mancher Hersteller funktioniert perfekt, der schöne Schein hat bis heute gehalten – nicht zuletzt auch, weil der viele der betroffenen Branchen bisher wenig medial unter die Lupe genommen wurde. Erst jetzt, einige Jahre nachdem sich das Internet in der Breite durchgesetzt hat, beginnen wir hier eine ähnliche Entwicklung zu sehen, wie wir sie zum Beispiel seit 5-7 Jahren insbesondere bei der Elektronik beobachten können. Konsumenten entdecken ihre Mündigkeit wieder, informieren sich vor dem Kauf eines Produkts und vor allem: Sie äußern ihre Meinung und stellen diese in einem öffentlichen Raum – dem Internet – zur Diskussion. Da kommt ein hartes Stück Arbeit auf manche Hersteller und Händler der Bekleidungsbranche zu. Viele werden im Bereich Kommunikation noch sehr viel dazu lernen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Dabei ist der Umgang mit modernen Medien kein Fluch sondern eigentlich Segen und eine Chance das eigene Geschäft besser zu positionieren. Die Zeichen der Zeit muss man allerdings erkennen und sehen wollen – wer da die Augen verschließt wird in den nächsten 5 Jahren massive Probleme bekommen. 

Ein erstes Beispiel für diese Entwicklung zeigte sich im November 2008 bei unseren Freunden von Slow-Wear. Auf www.slow-wear.de beschäftigt sich Gunnar Berendson mit hochwertiger Kleidung, fernab des hektischen Mainstream. So begab es sich, dass „Edelardo“, sozusagen der Stilwächter im Slow-Wear-Blog sich am 19. November 2008 über einen Schuhhersteller aufregte und dessen Vorgehensweise beim Verkauf kritisierte. Fachhändler scheinen beim Verkauf übergangen worden zu sein, der Hersteller schien zum Direktvertrieb geworden zu sein. Hinzu kam eine deutliche Kritik am Produktionsweg, den der dort genannte Hersteller nach Ansicht von „Edelardo“ zu beschreiten scheint. Ist eine solche öffentliche Kritik zulässig? Der Artikel veranlasst die Leser zu kontroversen Kommentaren, alles in allem ein Umfeld in dem sich der Premium-Hersteller nicht gerne wiederfinden mochte. Von dem Versuch eine Unterlassung zu erwirken ist die Rede.

Meine Prognose: Der betroffene Hersteller wird einer der Ersten sein, der den oben angesprochenen Lernprozesse durchmachen wird. Der öffentliche Umgang mit Kundenmeinungen ist etwas Neues für eine Branche in der es Jahrzehnte recht gemächlich zuging. Das Internet und damit entstehende neue Medien bringen eine ungewohnte Dynamik und Transparenz mit sich, die Hersteller wie auch Händler plötzlich vor neue ungewollte Herausforderungen stellt. Im ersten Moment tut es vielleicht sogar weh – wer wird schon gerne öffentlich kritisiert? Sich zu verschließen und zu versuchen Meinungen zu unterdrücken ist jedoch der vollkommen falsche Weg, das mag zwar den Tag retten, wird sich aber mit den nächsten Jahren in den Geschäftsergebnissen widerspiegeln. Wer lernt mit neuen Medien umzugehen, neugierig und offen kommuniziert, der wird auch in Zukunft erfolgreich am Markt agieren können. Der Zug hat Fahrt aufgenommen – es ist Ihre Entscheidung wann Sie aufspringen.

Kategorie: Magazin

Andreas Gerads

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