Blick ins Innere: Eine Krawatte von Drakes

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Drakes steht im Ruf, eine der besten Krawatten zu liefern, die auf dem modernen Markt erhältlich sind. Natürlich wäre es alles andere als ehrenvoll, diese Behauptung ohne eingehende Prüfung weiterzugeben. Da Geschäftsführer Michael Drake vor kurzem zwei Krawatten aus der aktuellen Kollektion dem Stilmagazin zur Verfügung stellte, liegt ein Test auf Herz und Nieren nahe. Innereien ist in diesem Fall ein treffendes Stichwort, es soll einer der beiden Krawatten nämlich nicht nur im übertragenen Sinne an die Eingeweide gehen. Sie werden des Pudels Kern an dieser Stelle sicherlich längst erkannt haben: Ich habe diese Krawatte für Sie zerlegt.

Zunächst einige Daten aus der Firmenchronik: Drakes of London wurde 1977 gegründet und befindet sich noch heute im Besitz der Gründer Michael Drake und Isabel Dickson. Ursprünglich umfasste die Produktpalette Herrenschals und -accessoires, eine kleine Serie auserlesener Krawatten und Taschentücher folgte kurz darauf. Inzwischen ist Drakes Englands größter Produzent für Krawatten und bedient beide Extreme des Modemarktes, konservative Herrenausstatter und designer concept stores gleichermaßen. Darin liegt vielleicht der große Erfolg des Hauses begründet: In der Fähigkeit, ein enormes Geschmacksspektrum mit einer äußerst zeitlosen Produktlinie abzudecken. Natürlich umfasst das Sortiment mittlerweile weit mehr als nur Krawatten, Schals und Tücher. Vom Manschettenknopf über Strümpfe bis hin zu Seidencarrées für die angetraute findet der Gentleman im mittlerweile neu gestalteten Onlineshop alles, was das Herz begehrt.

Nun aber zum wesentlichen: Dem Innenleben einer Krawatte aus dem Hause Drakes. Zuerst sei bemerkt, daß die uns zugesandte Krawatte ein Ausstellungsstück aus dem Londoner Showroom ist, auftretende Mängel können daher nicht als Serienschwäche eingestuft werden. Hierauf weist auch eine den Krawatten beigefügte handschriftliche Grußkarte von Firmenchef Michael Drake hin. Auffällig ist auf den ersten Blick vor allem eines: Die ungewöhnliche Breite der Krawatte. Mit effektiv 7cm bekennt sich Drakes deutlich zu modernen, schlanken Krawattenformen. Doch das Sortiment umfasst ebenso Varianten in acht und neun Zentimetern effektiver Breite. Die mir vorliegende Krawatte kleidet sich in blassrosafarbene Jaquardseide von ausgezeichneter Griffigkeit. Die beiden Enden —das schmälere läuft nicht, wie üblich, gerade aus, sondern schwingt sich glockenförmig nach außen aus— sind mit dunkelblauer Seide abgefüttert. Die Schlaufe zur Befestigung des schmalen Krawattenendes ist natürlich aus dem Obermaterial gefertigt und —Indiz für hochwertige Fertigung— in das Krawatteninnere eingeschlagen und mit der Schlußnaht fixiert.

Durch die Lösung dieser von Hand ausgeführten Naht an der Rückseite der Krawatte lässt sich ins Innere blicken. Dort sorgt eine Mélange aus Wolle und Leinen für Formstabilität einerseits und Sprungkraft andererseits. Die Krawatte hält einen gebundenen Knoten somit ausgezeichnet und verbleibt nach dessen Lösung nahezu falten- und knitterfrei. Wie heutzutage üblich, ist die vorliegende Krawatte nicht vollständig von Hand gefertigt, auch wenn das eingenähte Etikett anderes suggeriert. Hierzu sollte man allerdings wissen, daß handmade in diesem Fall nicht auf die gesamte Krawatte —vor allem nicht auf alle vorhandenen Nähte— zu beziehen ist. Handarbeit bedeutet, daß an der Krawatte die Großzahl der Nähte von einer handgeführten Maschine gestochen und nur die elementaren und finalen Stellen tatsächlich mit bloßen Händen genäht werden. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise ein qualitativer Mangel, hält man sich die auf eine Krawatte im Laufe ihres Lebens wirkenden Zugkräfte einmal vor Augen — nicht jede Handnaht kann dieser enormen Belastung standhalten.

Alles in allem liegt mir mit der Krawatte von Drakes tatsächlich ein sehr gutes Produkt vor — schade nur, daß es nun in seine Einzelteile zerlegt ist. Verpassen Sie auf keinen Fall, sich die Bilderserie über den Testvorgang anzusehen; ein Blick unter die Oberfläche kann oft wertvolle Dienste zur qualitativen Beurteilung verwandter Produkte leisten.

Kategorie: Magazin

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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