Dandiana – Melanie Grundmann im Interview

Melanie, du hast kürzlich dein neues Buch „Dandiana“ veröffentlicht. Stelle dich und das Buch doch bitte unseren Lesern kurz vor.

Gern. Ich selbst beschäftige mich als Kulturwissenschaftlerin schon seit einigen Jahren mit dem Dandy. Die Dandiana ist mein zweites Buch zumThema. Daneben betreibe ich das Internetportal http://www.dandysmus.de und so ist im Grunde auch das neue Buch entstanden. Für dandysmus.de hatte ich vor einiger Zeit angefangen, Google Books nach relevanten Begriffen zu durchsuchen und bin so auf eine Unmenge von bislang unbekannten Artikeln über den Dandy gestoßen. Das war sehr unerwartet und natürlich auch sehr erfreulich, da die Dandyforschung bisher mit einem recht begrenzten Textekanon arbeitete. Hinzu kommt, dass die bisherigen Texte primär literarischen und autobiographischen Charakter hatte, wohingegen die von mir entdeckten Texte zum großen Teil journalistische Beiträge sind. Das heißt, der Fokus springt von der Selbstbespiegelung des Dandys, die in ihrer Natur idealisierend ist, nun auf Quellen, die den Dandy von außen betrachten und eher kritisch geprägt sind. Die Dandiana ist nun aber keine Ansammlung dieser Texte (die finden sich alle auf der Website), sondern deren Auswertung – also im Grunde eine kulturhistorische und rezeptionsgeschichtliche Untersuchung.

Mit „Dandiana“ hast du den historischen Dandy in ein neues Licht gerückt, was ist die Hauptbotschaft des Buches?

Wie oben schon angesprochen wurde, wird der Dandy hier von seinen Zeitgenossen geschildert und bewertet, was ein ganz neues Licht auf den Typus wirft. Galt der Dandy bislang als eloquenter und erfahrener Mann von Welt, der stilsicher und von einer geheimnisvollen Aura umgeben durch die High Society manövriert, wird nun deutlich, dass dieses Bild einer Korrektur bedarf. Zumindest in den Anfängen – die meisten Texte stammen aus den 1820ern – wurde der Dandy doch eher belächelt. Er war ein impertinenter Geck, der den Bogen oftmals überspannte und sich in seiner Anmaßung oftmals blamierte.

Der Dandy wurde früher gesellschaftlich manchmal als Tier betrachtet, vielfach sogar mit einem Affen verglichen, warum und wie entstanden diese Vorurteile?

Ja, das ist ein sehr interessanter Punkt der Untersuchung. Man muss sich die Erscheinung des Dandys vor Augen führen: Da tritt ein einer konventionell stark regulierten Gesellschaft plötzlich ein Wesen auf, das sich auf höchst merkwürdige Art kleidet, sich merkwürdig bewegt und höchst exzentrische Verhaltensweisen aufbringt. Gerade die Kleidung – man denke nur an eng geschnürte Korsetts, bunte Bändchen und andere glitzernde Accessoires, die ja den ersten Eindruck des Dandys provoziert, war derart ungewöhnlich und feminisiert, dass die Zeitgenossen des Dandys gar nicht sicher waren, ob sie es hier mit einem Mann oder einer Frau zu tun hatten. Aufgrund der Lächerlichkeit der Erscheinung und vermutlich auch in einem Akt erbosten Protestes, sprachen viele Beobachter von einem Etwas, einem Ding und oftmals eben auch von einem Affen. Daneben gab es natürlich immer wieder den Vergleich mit einem Schmetterling, weil der Dandy ein ebenso buntes und flatterhaftes Wesen aufweist – das ist zugleich eine der wenigen postiven Beurteilungen.

Wie lässt sich die historische Kleidung der Dandies charakterisieren? Hat etwas davon bis in die heutige Zeit überdauert?

Nun, die Kleidung des Dandys ist Spiegel seiner geistigen Überlegenheit. Dementsprechend finden wir hier nur erlesenste Stoffe und Accessoires sowie prächtige Farben und Muster. Viele Dandys sind bemüht, ganz eigene Moden zu lancieren, daher zum Beispiel die Petersham Hosen oder die Erfindung diverser Krawattenknoten. Ganz wichtig für den Dandy waren das Korsett sowie Polster für die Brust und die Schenkel, welche die Rundungen an den richtigen Stellen formten. Die Kleidung wurde oftmals mit Rüschen und Bändchen verziert. Das Binden von Krawatten und Halstüchern war eine ganz eigene Kunst, die Stunden erfordern konnte. Eine ganz wichtige Rolle spielten die Accessoires: von Ringen, über exquisit modellierte Gehstöcke, prächtige Schnupftabakdosen bis zu Sporen an den Schuhen. Die Haare wurden oftmals pomadiert und in Locken gelegt oder parfümiert.

Diese Gesetze gelten im Grunde heute noch. Korsette und Polster werden sicher nicht mehr genutzt, aber gerade die Erlesenheit der Accessoires und Stoffe sowie Muster ist noch immer aktuell. Wer heute an einen Dandy denkt, hat vermutlich zunächst das Bild eines Mannes in einem farbigen Anzug vor sich und das ist nicht ganz falsch. Dandys sind auch immer noch darum bemüht, ihre eigenen Kreationen zu entwickeln. So hat sich Sebastian Horsley beispielsweise einen Anzug schneidern lassen, der kleine Einstecktaschen für seine Spritzen bereithielt. Heute ist allerdings auch ein größerer Stilmix zu beobachten, gerade im so genannten Street Style. Wichtig ist im Grunde nur, dass ein individueller Stil erkennbar ist. Man darf auch nicht vergessen, dass es noch immer zwei Arten des Dandytums gibt: den flamboyanten Dandy, der sofort ins Auge sticht, und der klassische Dandy, der einen dezenten Stil pflegt und sich erst durch gezielt ausgewählte Accessoires und Erlesenheiten auszeichnet.

Welches Bild des Dandy zeigt sich heute, welche Beobachtungen machst du da?

Dazu muss man zunächst sagen, dass sich der Dandy ja noch im 19. Jahrhundert vom anmaßenden Gecken zum stilsicheren, leicht subversiven Mann von Welt entwickelt hat. Viele Schriftsteller schufen sich ihr eigenes Dandy-Ideal, basierend auf Beau Brummell und dieses Ideal prägt den Typus bis heute. Dementsprechend hat sich seitdem nicht sehr viel verändert. Der Dandy ist noch immer ein Außenseiter, der die utilitaristische, auf Arbeit und Profit ausgerichtete Gesellschaft kritisch beäugt und sich ihr weitgehend entzieht. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich natürlich verändert. So ist es heute viel mehr Menschen möglich, als Dandy zu leben, da die Einkommen gerechter verteilt sind. Früher waren Dandys oftmals Aristokraten, heute kann auch ein Hartz4-Empfänger ein Dandy sein. Wichtig ist allein die geistige Einstellung: Ein Dandy ist intelligent, gebildet, kultiviert, ein bißchen subversiv, kreativ und elitär. Die Kleidung ist dafür nur das äußere, sichtbarste Zeichen. Eine Veränderung ist sicher die, dass der Dandy heute weniger auffällt als früher. Wir leben heute in diversen Subkulturen, das war zu Beginn des Dandytums noch anders. Wo jeder seine Nische findet, ragt niemand mehr heraus. Wobei es falsch wäre von einer Dandy-Subkultur zu sprechen. Vielmehr kann sich ein Dandy überall finden, denn es ist ja gerade seine Individualität, die ihn ausmacht.

Vielen Dank für die interessanten Eindrücke Melanie!

Wenn Sie mehr über den Dandy und seine Gewohnheiten erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen die Webseite http://www.dandysmus.de

Kategorie: Magazin

Andreas Gerads

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