Das Chino-Syndrom

Ich habe den kommenden Samstag für mich als den ersten Chino-Tag des Jahres 2009 erkoren. Ich freu mich schon seit Wochen auf ihn. Dann hole ich eine meiner baumwollenen Khaki-Beinkleider aus dem Schrank. Da dann Wochenende sein wird, kombiniere ich sie wahrscheinlich mit einem gestreiften Hemd, einem V-Ausschnitt-Pulli aus leichter Lammwolle und – je nach Regenwahrscheinlichkeit – meinem Burberry-Slipon oder der blauen Steppjacke von Lavenham. Die Chino-Saison wird bis September dauern. Den genauen Tag werde ich nach dem Wetter im Spätsommer bestimmen und dann irgendwann wieder auf Kord- oder Moleskinhosen umsteigen.

Die Chino ist die vielseitigste Herrenhose überhaupt. Modisch, klassisch. Seriös, sexy. Eng, geräumig. Gebügelt oder direkt von der Leine genommen. Kernig im Griff oder weich, mit flacher Front ausgestattet oder mit Bundfalten, glatt umgenäht oder mit Aufschlägen (was ich bevorzuge). Oder, oder, oder. Auch beim Kombinieren gibt es Optionen zuhauf. Mit Marineblazer, Oxford-Hemd und Schleife. Leichtem Sportsakko, offenem Kragen und Einstecktuch. Als Kombi mit Polo- oder Rugbyhemd oder gar weißem T-Shirt. Als Gürtel verwende ich dazu am liebsten Modelle mit massiver Messingschließe aus farbigem Canvas oder schmale Riemen aus englischem Sattelleder. Ohne den US-Klassiker wäre die Herrenmode nicht vorstellbar, er passt zum Brit-Look genauso wie zum italienischen Stil.

Prinz Charles zeigt sich in weit geschnittenen Khakis und doppelreihigem Blazer, Luca di Montezemolo liebt sie in Weiß und Steve McQueen wurde in der schmalen Variante zur Stil-Ikone. Das einzige Problem bleibt die Beschaffung. Wer Chinos nicht in ausreichender Zahl im Schrank gehortet hat, findet sie zum Frühlingsbeginn in guter Ausführung nur selten auf Anhieb. Da hilft manchmal nur Maßkonfektion oder Ebay. Oder man hat richtig Glück. Ein Bekannter hat in Indien einen alten Armeeschneider aufgetan, der herrlich altmodische Chinos mit seitenverstellbarem Bund näht. Sämtliche Bestände in der passenden Größe wurden aufgekauft und der stilvolle Auftritt in Khaki blieb auf Jahre gesichert. Nächste Woche: Sonnenbrillen.

Kategorie: Magazin

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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