Halbmondriegel und Moleskin

In regelmäßigen Abständen veröffentlichen wir ausgewählte Fragen unserer Leser hier im Stilmagazin. Themen diesmal: Technische Kniffe bei der Konstruktion von Sakkotaschen und der perfekte Moleskin.

Lothar L. schrieb:

Sehr geehrter Herr Küblbeck,

ich bitte Sie um Beantwortung der nachstehenden Frage:

An zahlreichen meiner Sakkos und Hosen befinden sich im Bereich der Taschen halbkreisförmige Nähte – jeweils außen links und rechts. Diese werden von einigen Herstellern (bspw. Hiltl) als Halbmondriegel bezeichnet.
Es wird erklärt, dass dies die Haltbarkeit dieser beanspruchten Stellen (Gesäßtaschen, Sakko-Innentaschen etc.) verbessert.
Würden Sie dem zustimmen? Ich besitze im Gegensatz zu dieser Begründung auch Anzüge (mit Pattentaschen), an denen diese Riegel auch außen – links und rechts der Pattenklappe – angebracht sind, obwohl diese Taschen in der Praxis gar nicht als solche benutzt – ergo, nicht strapaziert – werden.

Könnten Sie mir vielleicht transparent machen, ob dieses Detail nun wirklich eine Verbesserung der Haltbarkeit bewirkt oder zu einem großen Teil ein Hinweis auf eine besonders wertige und aufwendige Verarbeitung darstellt?
Wissen Sie zudem, ob diese Nähte stets von Hand ausgeführt werden müssen oder gibt es auch Maschinen, die dies anfertigen können (ähnlich den Ziernähten am Revers mancher Sakkos, die sich bemühen, mehr zu scheinen als sie wirklich sind)?

Danke im Voraus für Ihre Mühe.

Lieber Lothar, vielen Dank für Ihre interessante Frage. Die von Ihnen beschriebenen Halbmondriegel finden sich häufig an Taschenpaspeln. Oft werden Sie als Zeichen aufwendiger Produktion beworben, da sie die Haltbarkeit der Tasche verbessern sollen. Dagegen hört man auch oft, dieses Detail sei zu gar nichts nütze, sondern diene lediglich der scheinbaren Aufwertung des Produkts für den Kunden. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Tatsächlich ist es unter Umständen sinnvoll, Taschenpaspeln mit einem solchen Halbmondriegel zu sichern, um ein sogenanntes ausplatzen —so nennt der Schneider das reißen einer Naht und hervortreten des innenliegenden Saums— bei exzessiver Taschenbenutzung zu verhindern. Logischerweise besteht dieses Risiko vor allem bei besonders empfindlichen, feinen oder dünnen Stoffen. Dickere und strapazierfähigere Qualitäten halten auch mit anders gesicherter Paspel regelmäßiger Benutzung stand. Schaden wird ein Halbmondriegel in keinem Fall. Übrigens halte ich gerade den von Ihnen beschriebenen Einsatz an Sakkotaschen für sinnvoll. Will man die Taschen benutzen, verhindert der Riegel eine verfrühte Abnutzung der Paspel durch die unter Umständen starken Zugverhältnisse.
Wie auch die gesamte Paspeltasche kann der Halbmondriegel heutzutage mit Hilfe eines sogenannten Taschenautomaten binnen weniger Minuten ohne Zutun von Menschenhand genäht werden. Der traditionsorientierte Schneider wird ihn dennoch zusammen mit allen anderen Arbeitsgängen einer Tasche von Hand ausführen.

Horst S. schrieb:

Sehr geehrter Herr Küblbeck,

da das Angebot an Moleskin-Sakkos in Deutschland sehr dürftig ist, wollte ich mir einen Sakko/Blazer schneidern lassen. Es soll ein dunkelbrauner Moleskin-Stoff sein, der sich für diesen Zweck eignet.

Hätten Sie dafür noch eine andere Bezugsquelle?

Ein Blazer aus Moleskin ist für die kalte Jahreszeit eine hervorragende Idee! Den meiner Meinung nach besten Moleskin bietet die Englische Traditionsweberei Brisbane Moss, die sich auf feste Baumwollstoffe wie Cord und Moleskin spezialisiert hat und auch für viele Namhafte Tuchhändler in Lizenz fertigt. Auch Webereien wie John G. Hardy oder Porter & Harding bieten Moleskins an, die jedoch —man darf raten, wo— von einem spezialisierten Betrieb für diese Anbieter hergestellt werden.
Dem eher informellen Charakter des Moleskin-Gewebes stehen aufgesetzte Taschen und gefleckte Knöpfe aus Büffelhorn besonders gut. Die erste Saison hindurch kann sich das Gewebe allerdings recht steif anfühlen, da Moleskin durch Bügelhitze kompakter und dadurch fester wird. Wie auch Cord oder Leinen benötigt er deshalb eine längere Eintragezeit als vergleichbar dicke Schurwollqualitäten.

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Kategorie: Magazin

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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