Passform und Änderungen, Teil 2


Aus der Serie: Passform und Änderungen

Änderungen am Sakko lohnen sich nur, wenn die Gesamtlänge stimmt. Sie ist korrekt, wenn das Gesäß bedeckt ist und der Schließknopf auf oder ein Stückchen über dem Bauchnabel sitzt. Dort befindet sich nach dem goldenen Schnitt die optische Körpermitte. Die Position der Taschen und Knopflöcher wird in Relation zur Gesamtlänge festgelegt, würde sie geändert, säßen Taschen und Knöpfe zu hoch oder zu niedrig. Zuerst wird die Passform an Kragen, Rücken und Schultern überprüft. Der Kragen sollte sich dicht an den Hals schmiegen, wenn nicht, lieber einen anderen Anzug in die engere Wahl nehmen. Änderungen am Kragen sind relativ kompliziert. Die berüchtigte Nackenfalte kann dagegen leicht behoben werden. Gemeint ist, dass sich der Stoff unterhalb des Kragens waagerecht nach oben schiebt und eine Querfalte bildet. Über dem Rücken muss der Stoff glatt anliegen, hinter den Armen sollte eine kleine Stoffreserve sichtbar sein. Ohne sie könnte der Träger die Arme nicht nach vorne bewegen (deshalb wird sie “Bewegungsfalte” genannt).

Um zu sehen, ob die Jacke in der Taille die richtige Weite hat, wird sie geschlossen. Dann wird leicht am Knopf gezogen. Wenn sie zwei bis drei Zentimeter nach vorne schwingt, stimmt die Taillenweite, wenn sie mehr Spiel hat, ist sie zu weit. Um das zu ändern, wird an den Seitennähten Stoff herausgenommen. Die Taillenweite ist auch eine Frage des Stils und von Tragegefühl. Ich persönlich gehe danach, ob ich die Jacke mühelos schließen kann und dann aber trotzdem merke, dass sie geschlossen ist. Viele Männer verwechseln schneidermäßige Passform mit extremer Enge in der Taille. Das ist Unsinn.  Wenn die Jacke über dem Bauch spannt und die Seitenschlitze aufklaffen, ist sie schlicht zu eng.

Die richtige Ärmellänge ist eine wesentliche Voraussetzung für einen guten Gesamteindruck der Jacke. Enden die Ärmel an den Knöcheln, sieht das ganze Sakko zu groß aus, sind sie zu kurz, wirkt es zu klein. Korrekt ist die Länge, wenn das Hemd herausschaut. Je nach Geschmack und Körpergröße einen halben bis mehrere cm. Beim normalen Anzug von der Stange ist ganz einfach, die Ärmel zu kürzen oder zu verlängern. Der Änderungsschneider entfernt die Knöpfe am Ärmelabschluss, kürzt oder längt und näht sie an der neuen Stelle wieder an. Bei Anzügen mit aufknöpfbaren Ärmeln geht das natürlich nicht, denn die Knopflöcher lassen sich nicht verschieben. Deshalb sollten nur bei nach Maß gefertigten Jacken die Knopflöcher am Ärmel aufgeschnitten werden.

Zu den Änderungen des Ärmels gehört auch die Änderung des Armlochs. Das ist die einzige Korrektur, die niemand sieht, Sie aber ganz deutlich spüren. Sie wird fällig, wenn das Sakko unter den Achseln kneift, es in allen anderen Punkten aber perfekt passt und deshalb der Griff zu einem anderen Modell oder einer anderen Größe nicht in Frage kommt. Aber Vorsicht, der Eingriff ist nicht unproblematisch. Als erstes werden dafür die Ärmel herausgenommen und die beiden Armlöcher vergrößert. Dann müssen die Ärmel passend zum neuen Armloch geändert und zum Schluss wieder ordentlich eingesetzt werden. Das können nur Herrenschneider und die lassen sich diese Operation gut bezahlen.

Kategorie: Magazin

Bernhard Roetzel

Bernhard Roetzel schreibt über Herrenmode und verschiedene Stilfragen. Der Bildband "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode" ist seine bekannteste Publikation, sie liegt in fast 20 Übersetzungen vor.

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