Whipcord: Ein fast vergessenes Gewebe

Es gibt Stoffe, die seit Jahrhunderten erprobt und in ihrer Haltbarkeit ungeschlagen sind, dabei allerdings nie aus dem übermächtigen Schatten von Twill, Moleskin, Kord oder Tweed hervorzutreten scheinen. Whipcord —zu deutsch Peitschenschnurkord— ist eines dieser Gewebe.

Whipcord ist ein Schurwollgewebe in Diagonalbindung, dessen Rippen aufgrund der Garnbeschaffenheit und Webdichte charakteristischer hervortreten als etwa bei Cavalry Twill, aber dezenter wirken als bei Baumwollkord. Gute Whipcords bestehen in der Kette aus Kamm- und im Schuss aus Streichgarn. Dadurch ergibt sich ein angenehm körniger Griff und eine erstaunliche Belastbarkeit. Die meist durch unterschiedlich gefärbte Garne zusätzlich betonte Melange macht diesen Stoff zudem äußert kombinierbar.

Leider droht dem Whipcord ein ähnliches Schicksal wie anderen sehr guten, aber zu wenig „hippen“ Dingen wie Stofftaschentüchern oder etwa Bakelitschreibgeräten: Kleine Nachfrage, daraus resultierende kleine Auflage und letzendlich schwierige Erreichbarkeit. Nur noch wenige Webereien stellen Whipcord her, und falls doch, wird häufig exklusiv für Militäschneider oder derlei gefertigt. Auf meiner Suche nach gutem Whipcord wurde ich schließlich nur bei zwei Stoffanbietern fündig: John G. Hardy führt in seinem 12oz casual-Musterbuch neben Cavalry Twill, Venetian und Bedford Cord auch einige wenige Whipcords. Auch Scabal offeriert ihn in Gewichten von 11 und 15 Unzen.

In grau, oliv oder beige macht sich Whipcord besonders gut als robuste, aber nicht zu rustikale Hose zu Sportjacken. In dieser Verarbeitung kommen die Materialeigenschaften ideal zur Geltung: Knitterarm und atmungsaktiv wie Kammgarn, robust und pflegeleicht wie Baumwolldrillich.

Von der Stange ist eine Hose aus Whipcord allerdings kaum mehr zu bekommen. Als Versender von Nischenprodukten bietet Manufactum in Zusammenarbeit mit Hiltl ein Modell, das den allermeisten Ansprüchen genügen dürfte. Cordings führt —zumindest im Versandhandel— lediglich Hosen aus dem weiter verbreiteten Cavalry Twill. Ich werde den mit größeren Wartezeiten verbundenen, dafür aber höhere Zufriedenheit versprechenden Weg der Maßanfertigung beschreiten; die mühsam Aufgespürte Stoffrarität will schließlich gebührend verarbeitet sein!

In seiner Serie „Die Basis: Grundlagen der Herrengarderobe“ befasst sich Florian Küblbeck mit dem Fundament des Gentleman-Kleiderschranks. Im Rahmen einer neuen Reihe wird er an dieser Stelle regelmäßig in die Basics unter den Bekleidungsstoffen, deren Eigenschaften und Besonderheiten einführen.

Kategorie: Stoffe

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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