Nicht, dass die Sachen qualitativ schlecht wären. Sie schreien durch die auffälligen Logos nur halt "Ich kann mir bescheidenen Luxus wie Markenklamotten leisten, daran erkennst Du, dass ich zur Mittelschicht gehöre".
Wenn man die Rolle von Kleidung als Statussymbol sieht, ist es die Marke für die von begründeten Abstiegsängsten geplagte untere oder mittlere Mittelschicht, die sich sichtbar von der Unterschicht abheben will.
Wohlhabende Snobs finden das peinlich, weil sie finanziell den Längeren haben und nicht fassen können, dass jemand Hilfiger mit hohem Status assoziiert. Nach meiner Erfahrung gibt es zwar auch Wohlhabende, die auffällige Logoklamotten tragen, dann aber Lacoste und v.a. Ralle. Diese Marken sind zwar auch bei Wannabe-Millionaires in ihren 20ern und 30ern beliebt, aber eben auch bei wirklich reichen Onkeln, die seit zig Jahren halt einfach nix anderes kaufen und daran auch nichts mehr ändern werden, warum auch.
Etwas in die Richtung kann man sicher beobachten und gerade für Jugendliche oder sehr junge erwachsene ist es oft auch wichtig, dass man sie auch optisch als zu ihrer Peergroup gehörend erkennen kann. Im Laufe des Lebens verwächst sich das, bei manchen mehr, bei anderen weniger. Aber Gruppen, auch Freundeskreise, definieren sich immer auch über Zusammengehörigkeitsgefühle.
Hm, aber bei der "Unterschicht" sind auffällige Marken doch genauso wichtig.
Dass man das auf "Schichten" reduzieren könnte, ist meiner Meinung nach zu einfach gedacht. Das war und ist bei Subkulturen ja das gleiche. Emos, Punks, Blumenkinder, was auch immer. Und dann geht es ja nicht nur um Marken, sondern auch bestimmte Stile. Meine aktuell pubertäre Nichte trägt diese momentan offensichtlich angesagten High Waist Hosen und dazu auch im Herbst sehr kurz geschnittene, bauchfreie Tops. Während meiner Jugend war bauchfrei auch in. Mit längeren Oberteilen und sehr, sehr viel tiefer geschnittenen Hosen. Bei Mode geht es vielen oft auch um Abgrenzung von anderen bzw. Zusammengehörigkeit mit der eigenen Gruppe. Unabhängig von der Schicht.
Stimmt beides. In den USA gibt es innerhalb der Marken unterschiedliche Kategorien. Heißt also es gibt günstige Sachen aber auch hochpreisige. Was bei uns teilweise im Outlet verkauft wird, wäre dann in den USA das untere Level, die teuren Sachen gibt's dann noch zusätzlich. Meist haben die dann noch irgendwas hinzugefügt beim Markennamen.
Wirklich hochwertige Basics für Damen kenne ich von Grey Fashion Berlin. Da hat eine Freundin sehr viel davon. Ich habe das im Kopf behalten weil die Sachen aus Meeresalgen produziert werden und viel weniger Wasser bei der Herstellung verbrauchen als herkömmliche Baumwollkleidung. Haben gute Qualität und halten lange. Hat mich fasziniert weil ich Kleidung aus Algen nicht wirklich kannte.
Das mit den verschiedenen Kategorien kenne ich hier aber auch. Auch große, günstige Modeketten haben Kategorien wie zum Beispiel solche nachhaltigere Mode. Denke, dass dieser Sektor in den letzten Jahren generell am Wachsen ist und auch nachhaltigen Labels wie Grey Fashion Berlin fruchtbaren Boden bereitet. Dass bei Stoffen auch nach Alternativen gesucht wird, finde ich gut. Durch einen nicht nachhaltigen Anbau von Baumwolle ist ja zum Beispiel der Aralsee in eine Art Salzwüste verwandelt worden. Wusste ich nicht und war echt erschrocken, als ich vor einer Weile eine Doku darüber gesehen habe.
Das geht mir genau anders herum. Ich versuche mich noch zu den Jüngeren zu zählen und bin mit deutschsprachigem HipHop aufgewachsen (MZEE-Records...). Bei den hier zitierten Passagen frage ich mich allerdings was aus dem deutschen Sprechgesang geworden ist. Zum Glück kenne ich die nicht mal. Aber daran merkt man wahrscheinlich, dass man alt und spießig wird.
Zum alten Eisen zähle ich mich auch nicht, aber mit deutschsprachigem (oder anderssprachigen) HipHop hatte ich nie viel am Hut. Dass man merkt, dass man "alt und spießig" wird, geht sicher den meisten auf die eine oder andere Art und Weise so. Ich kenne TikTok und Snapchat auch nur noch vom Hörensagen und aus den Medien...
Ist das hier der "früher war alles besser" Thread?
Denke ich nicht, aber Vergleiche zu früher finde ich bei so einer Thematik eigentlich nicht besonders an den Haaren herbeigezogen. Ich habe im Schrank noch einen Mantel von meinem Opa hängen. Wurde damals maßangefertigt und dass es ein hochwertiges Teil ist, sieht man noch heute. Möglichst günstig industriell gefertigte Kleidung gab es ja bei Weitem nicht immer und eine Abkehr davon kann ja durchaus auch eine Rückbesinnung auf frühere Zeiten sein.
Es gibt einfach abseits der Modeketten schon sehr viele Hersteller und mit dem Internet bekommt man die Sachen wohl überall.
Darüber, dass man so ein viel breiteres Angebot verfügbar hat und auch bewusst Entscheidungen treffen kann, bin ich auch froh. Danke euch für die rege Diskussion und die zwischendrin doch auch zahlreichen Tipps, die zusammengetragen wurden!