… Das kann man sehr schön sehen an der Veränderung der Kundschaft bei Budapester Schuhe in Berlin über die letzten 30 Jahre. …
Diese Entwicklung hat sicher vor allem sozioökonomische Gründe. Man muss halt mal schauen, wer womit aktuell das meiste Geld verdient in unserer Gesellschaft. Das sind schon länger nicht mehr die gebildeten Honoratioren…
Da würde ich grundsätzlich zustimmen, dass natürlich die Mittel vorhanden sein müssen, um sich hochwertige Produkte, wie zB Schuhe für mehrere hundert Euro oder Anzüge für einige tausend Euro leisten zu können und zu wollen. Das fällt Menschen leichter, bei denen monatlich mehr dazu kommt als weg geht, egal wie viel man ausgibt.
Ungeachtet dessen und der anhaltenden Diskussion über die zunehmende Verarmung in Deutschland gäbe es grundsätzlich genügend Menschen, die sich das leisten könnten, so sie denn wöllten. Damit möchte ich explizit nicht in Abrede stellen, dass es Menschen gibt, die am Existenzminimum leben und nicht im Traum daran denken, sich Schuhe für über hundert Euro zu leisten, aber durchaus vor den Schaufenstern solcher Geschäfte stehen und davon träumen, einmal etwas dergleichen zu besitzen.
Die Beweggründe für den Niedergang hochwertiger Kleidung und entsprechender Ladengeschäfte ist etwas anderes. Zum einen priorisiert der Großteil der Gesellschaft, der sich das leisten könnte, diese Anschaffungen nicht mehr. Sartoriale Kleidung ist heute kein Ausdruck von Wohlstand mehr. Es ist nichts mehr, mit dem ich indirekt meinen Wohlstand und meinen Status in der Gesellschaft unausgesprochen darstelle und als wohlhabend und „zur besseren Gesellschaft“gehörend ist ahrgenommen werde.
Zum anderen und das hatten wir hier auch schon desöfteren diskutiert, wandert der Großteil der Kundschaft in den Onlinehandel ab. Die früher bereits vorhandene Hemmschwelle „Luxusläden“ zu betreten, wird noch größer. Das Verschwinden gut ausgestatteter Kaufhäuser wie Breuninger (perspektivisch) durchaus auch P&C oder bei Schuhen Goertz, wird nur wenige in Spezialgeschäfte hochwertiger Kleidung bringen. Die meisten gehen den Weg in den Onlinehandel. Ich bin gespannt, wie lange sich Suitsupply als Ladenkette noch halten kann. Shoepassion und zuvor Prime Shoes haben den Rückzug schon antreten müssen.
Wir erleben das in unseren Diskussionen ja bereits. Es gibt immer wieder sehr schöne Beiträge über Maßschneiderarbeiten, aber das Gros der gezeigten Kleidung stammt von woanders und wenn man eine Umfrage machen würde, wo in den letzten 12 Monaten selbst hier im Forum mehr gekauft wurde, online oder stationär, bin ich überzeugt, dass selbst in einem solchen Forum ein sehr hoher Anteil auf neu und gebraucht im Onlinehandel erworbene Artikel entfällt. Und wenn das hier schon so ist, um wieviel mehr gilt das in der Breite der Gesellschaft. Selbst Primark am unteren Rand bekommt das zu spüren.
Noch ein Wort zu hochwertigen Schuhen im stationären Handel: Spezialgeschäfte für hochwertige Schihe werden immer mehr verschwinden und selbst in reinen Schuhgeschäften bald nicht mehr anzutreffen sein. Der Umsatz ist einfach zu gering. Das Segment dreht einfach viel zu langsam. Dieser Bereich wird als Unterbereich in die wenigen verbleibenden Bekleidungsgeschäfte für hochwertige Kleidung integriert werden oder, falls man noch einen findet, bei einem Reparaturbetrieb hochwertiger Schuhe in kleiner Auswahl anzutreffen sein. Alles andere passiert online, heute bereits und morgen noch viel mehr.
Soweit das Wort zum Sonntag, ich geh jetzt mal, nein keine Schuhe kaufen, sondern eine Umfrage aufmachen