Thomas Bernhard z. B. ist zwar schön zu lesen. Eine Reise nach Wien ersetzt er mir aber wahrlich nicht. Finde es, mit Verlaub, etwas sonderbar, anzunehmen, alles Wissen sei solchen Büchern zu entnehmen. Woher willst Du das denn wissen, wenn Du Dich aufs Bücherlesen allein beschränkst? Damit qualifizierst Du dich in erster Linie zur Pflege eines bildungsbürgerlichen Zitateschatzes.
Zumal die von Dir angeführten Autoren z. T. vor mehr als hundert Jahren geschrieben haben. Es gibt weit mehr über das Leben zu wissen als das, was in hundert Jahre alten Büchern steht.
(So wichtig sie auch sein mögen.)
Na ja, lieber Hasebein, es gibt Dinge, die vor 1000 Jahren geschrieben wurden und deswegen heute nicht weniger wahr oder zeitgemäß sind.
Wer das Richtige liest, und es richtig liest, findet immer Dinge, die auf die Menschheit, das Leben usw. im Allgemeinen übertragbar sind.
Es gibt definitiv nicht mehr über
das Leben an sich zu wissen als das, was in diesen Büchern steht.
Wie sagt Goethe so schön?
Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken.
Und das tut man, indem man Bücher liest, die von gescheiten Leuten geschrieben wurden. Man muss das Rad nicht neu erfinden.
Äußere Rahmenbedingungen spielen im Hinblick auf die Aktualität von Texten überhaupt keine Rolle.
Smartphones, Internet, Globalisierung, Gender-Mainstreaming usw. haben weder den Menschen, noch den Lauf der Dinge und die dahinterliegenden Prinzipien grundlegend verändert.
Davon abgesehen, dass es bei Bernhard nicht darum geht, dem Leser mit seinen Beschreibungen eine Reise nach Wien zu ersparen, ist diese Reise im Prinzip nur eine äußere, sinnliche Erfahrung, nichts Erkenntniserweiterndes und daher prinzipiell nicht erforderlich, um etwas
über's Leben zu lernen.
Man hat's dann halt mal gesehen... und weiter?
Wer gut denken kann, muss nur sehr wenige Dinge sehen, um daraus Prinzipien ableiten zu können. Mitunter reicht es schon, diese Dinge zu lesen.
Das nennt man Intelligenz.
Ein anderer kann fünfmal um die ganze Welt reisen und trotzdem der gleiche Narr bleiben, der vorher war.
Ansonsten war meine Aussage natürlich etwas überspitzt formuliert und muss nicht 100% ernst genommen werden.
Man muss und sollte sich nicht auf die genannten Autoren beschränken.
Da gebe ich Dir aber Recht. Wer Bildung, was auch immer das sein mag, instrumentell versteht, der verfehlt sie wahrscheinlich trotz allen Bemühungen. Und mit Stil hat das dann m. E. auch im weitesten Sinne nichts mehr zu tun.
Immerhin