Ich gebe zu bedenken, dass "knochentrocken" allein kein Qualitätsmerkmal ist, sondern ein Geschmacksaspekt, den man im Zusammenhang sehen muss.
Gerade bei Riesling finde ich die mega-trocken ausgebauten Weine mit sehr niedrigem Restzucker oft etwas unharmonisch, weil sich dann die Säure ungestört austoben darf - die Weine sind zwar trocken, aber manchmal von einem sehr aggressiv-säurebetonten Charakter. Gutes Beispiel: der Lorcher Kapellenberg von Troitzsch-Pusinelli, zwar knochentrocken, aber derart säurespitz, dass ich ihn eher zum Säubern von Badezimmerfliesen verwenden möchte denn als Essensbegleiter.
Nun gibt es etliche Winzer, die die Säure-Restzucker-Balance bei insgesamt sehr niedrigem Restzucker besser hinbekommen - wobei ich zugeben muss, dass die Empfindung "säurebtont" bzw. "unharmonisch" eine sehr persönliche ist; es gibt Leute, denen macht das gar nix aus, ich selbst reagiere darauf eher empfindlich und finde, dass ein klein wenig höherer Restzucker gerade beim Riesling die Weine in besserer Balance präsentiert.
Andere Weine zeigen sich mit knochentrocken-Stilistik eindeutig schöner. Mein Liebling: der Chenin (!!!) "Les Rouliers" von Richard Leroy: stahlig, trocken, superpräsent, dabei aber auch gehaltvoll, und wenn man dem Wein ein wenig Temperatur gönnt, fast schon cremig und opulent, dabei aber wirklich immer akzentuiert trocken. Hat was!
Wenn es etwas einfacher und auch preisgünstiger sein soll: einfach mal schauen, was unsere französischen Nachbarn zu Austern servieren, damit liegt man oft richtig. Der Muscadet von Marc Brédif sei hier erwähnt, das knackt schon sehr, sehr schön.