Die Beratungsgebühr gegen Beratungsklau

Kiri

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Hallo werte Forumsleser,

in den letzten Tagen ist mir ein interessantes Thema zu Ohren gekommen.

Um sich gegen den sog. Beratungsdiebstahl zu wehren haben sich anscheinend mehrere Einzelhändler dazu entschieden eine Beratungsgebühr zu erheben, welche bei Produktkauf wieder erstattet wird. Damit soll verhindert werden, dass sich ein Kunde im Fachhandel beraten lässt, dann aber Online das Produkt kauft.

Ich würde gerne eure Argumente zu dem Thema hören.

Von meiner Seite aus ist dies ein schon längst fälliger Schritt. Natürlich kann es problematisch sein, vor allem wenn die Beratung per se nicht hochwertig ist.

Ich könnte mir vorstellen das Produktberatungen in der Innenstadt gezielt von Dienstleistern übernommen werden könnten.

Bekommen wir also endlich wieder fähige Berater oder wird der Einzelhandel endgültig aussterben?

Ich bin gespannt.
 
Spannende Idee, leider ist mir - und das ist jetzt wirklich nicht sarkastisch gemeint - im Einzelhandel und auch bei sehr gehobenen Herrenausstattern noch nie eine gute Beratung zuteilgeworden. Dort ging es (verständlicherweise) immer nur um den Verkauf.

Sollte sich das irgendwie durchsetzen, werden die Opfer wohl planlose, ältere Herrschaften sein, die für schlechten Rat demnächst auch noch bezahlen.

In welchen Bereichen soll diese "Beratung" auch sonst noch stattfinden? Im Elektronikbereich oder etwa im Autohaus? Alles Branchen mit einem gewissen Image. Nein, ich glaube, da ist der Zug längst abgefahren.
 
Ich halte es für Quatsch.

Wenn ich kein Geld verlieren möchte bin ich ja quasi dann gezwungen etwas zu kaufen.

Mal angenommen ich werde gut beraten, komme dann aber zu dem Schluss, dass ich gar nichts kaufe. Weder im Geschäft in dem ich Beraten wurde, noch online. Ich kaufe also nichts und verliere trotzdem Geld. Also, dann würde ich mich nicht mehr beraten lassen.
 
Man könnte die Beratung als Dienstleistung verstehen. Es gibt für jeden Bereich Beratertätigkeiten. Ich fände es erfrischend, sollte man die altbekannte Verkaufsberatung durch eine Dienstleisterberatung ersetzen. Die Beratung im Geschäft als kostenfrei zu erwarten könnte man ja als überholt bezeichnen. (Ich argumentiere nur dagegen der Diskussion wegen, nicht weil ich dir nicht zustimmen würde.)
 
Es geht weniger um den Kunden, der nach Beratung nicht kauft, sondern um, und das nenne ich jetzt ganz bewussst so, die Schmarotzer, die gerne die Beratung in Bezug auf Funktionalität, Passform, etc. vor Ort in Anspruch nehmen, um anschließend online zu kaufen.

Auch wenn mich solches Verhalten anwidert, glaube ich nicht, dass bei Kleidung eine Bezahlung von Beratung funktionieren wird. Der Kunde kauft dann halt woanders.

Etwas anderes dürften intensive und komplexe Beratungen mit Architektur / Designplanungen wie in z. B. bei Küchen sein, wenn mehrere Sessions mit vielen Stunden Arbeit geleistet werden müssen.
 
Wer glaubt, er könne dem stationären Einzelhandel helfen, indem er Zugangsbarrieren aufbaut, ist auf dem Holzweg.

Welcher Kunde geht denn in einen Laden, in dem er bezahlen muss, weil ihm kein vorrätiger Schuh richtig passt und gefällt? Was für ein Rauschgift muss man rauchen, um auf eine solche Idee zu kommen? Diese Leute sind die Totengräber ihrer Branche.
 
Lassen wir die Polemik einfach mal beiseite.

Du kannst natürlich immer noch wählen ob du eine Beratung möchtest oder nicht. Es ist also keine Zugangsbarriere.

Allein der IST Zustand zeigt, dass die Beratung bei den betroffenen Einzelhändlern eine Einstiegshilfe für den Onlinehandel ist. Immerhin ist das der wesentliche Unterschied zum Onlinekauf, dieser kann dir keine persönlich Beratung bieten und spart dadurch Geld für Personal und natürlich den Standort.

Man kann es drehen und wenden, ich sehe keine vernünftige Argumentation für "Zugangsbarriere". Ich würde es eher als fortschreitende Ökonomisierung innerhalb des Einzelhandels und seines Spezialgebiets bezeichnen.

Wenn auf einmal kostenfreie Beratung nicht mehr verfügbar wäre, jetzt kommt die Frage, wie würde sich das Verhalten der Konsumenten ändern?

Würde es überhaupt jemand vermissen? Oder wie manch anderer es vielleicht empfindet, vermisst es heute noch jemand?

Es muss ja kein Schuhladen sein. Sagen wir es ist ein Spezialgeschäft für Jagdbögen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Grundsätzlich eine gute Idee, die es aber in Deutschland schwer haben wird. Im Prinzip ist das ja sowas wie "Personal Shopping light".

Deutsche Banken haben immer wieder mal versucht, das Geschäftsmodell im Wertpapiervertrieb darauf umzustellen, nicht von Provisionen zu leben, sondern von einer expliziten Beratungsfee (also das was der Gesetzgeber inzwischen Honorarberatung nennt). All diese Geschäftsmodelle haben nie so richtig Erfolg gehabt, da es im Retail-Bereich wenig Provisionen gibt, die Beratung in aller Regel überschaubar gut ist und eine stundenbasierte Abrechnung für den Kunden erstmal abschreckend aussieht. Die Kunden zahlen lieber indirekt über Provisionen, weil sie das Gefühl haben, dann nichts zu bezahlen bzw. dass jemand anders bezahlt.

Ähnlich ist das mit der Verkaufsberatung, es wird mE sehr schwer sein, Kunden dafür einzunehmen, Beratung und Verkauf zu entbündeln und separat zu bepreisen. Zumal beim Einzelhändler noch dazu kommt, dass er nur eine begrenzte Menge von Marken führen kann, deswegen auch nicht so frei agieren wird wie ein richtiger Personal Shopper und auch nicht alles vor Ort haben kann.

Die Bestlagen in den Innenstädten werden inzwischen von Flagship-Stores großer Hersteller überschwemmt, die diese primär unter dem Gesichtspunkt der Markenpflege betreiben und denen es eigentlich egal ist, ob sie sich auf Standalone-Basis rechnen, da ihre Aufgabe mehr ist, die Kunden die Waren mal anfassen oder anprobieren lassen zu können, ob dann vor Ort gekauft oder online bestellt ist, ist für den Hersteller nicht mehr so wichtig (klar kann er die Einzelhandelsmarge auch noch einsacken, aber damit spielt er die Mieten nicht rein). Als Einzelhändler dagegen kämpfen bringt mE nichts.

Was eher funktionieren könnte, wäre sowas wie Personal Shopping mit einem Laden auszubauen, wo dann aber auch ganz klar ist, dass vorhandene Ware nur ein Zusatznutzen für den Kunden ist, aber der Kern des Geschäftsmodells nicht der Verkauf von Waren ist, sondern die Erbringung einer entgeltlichen Dienstleistung und Waren dann entweder auf Bestellung unter Wegfall der Einzelhandelsmarge bestellt oder bei einem Dritten gekauft werden können. Da werden nur die Hersteller es zu verhindern suchen, um nicht den normalen Einzelhandel zu kannibalisieren.
 
Im beratungsorientierten Einzelhandel sind neben anderen vor allem drei Dinge entscheidend:
1. die richtigen Produkte
2. eine kompetente Beratung
Und
3. der Aufbau einer emotionalen Beziehung zum Kunden,

so dass der Kunde gerne zurück kommt und den Wert der Beratung zu schätzen weiß.

Keiner ist bereit für schlechte Leistung auch noch zu zahlen. Gerade bei hochwertigeren Produkten und einem entsprechend kaufkräftigem Kundenkreis kommt es nicht auf den Euro an. Entsprechend steigt auch die Bereitschaft bei gutem Service vor Ort zu kaufen.

Im Übrigen haben erfahrene Verkäufer ein gutes Gespür dafür, bei welchem Interessenten sich die Beratung auch lohnt.
 
Es muss ja kein Schuhladen sein. Sagen wir es ist ein Spezialgeschäft für Jagdbögen.
Sehr interessanter Gedanke. Tatsächlich ist das Internet ja eine geniale Plattform für den Betrieb von Special Interest-Läden. Ich habe in den letzten Jahren unglaubliche Online-Shops gesehen, von Zubehör für Retrievertraining, Schlittenhundbedarf, Kaffeemaschinen, Streichinstrumentenzubehör, bestimmten Lebensmitteln und was weiß ich noch alles, deren Inhaber einem am Telefon Dinge erklären können, von denen man noch gar nicht wusste, dass es sie gibt. Diese Läden wären ohne Internet nie möglich, weil es in der Reichweite eines solchen Ladens nicht genügend Kunden gäbe und der Aufwand für einen klassischen Katalogversandhandel nicht tragfähig. Ich bezweifle auch, dass es in der Gegend von Saarlouis ausreichend Kunden gäbe, um einen Handel mit sehr exklusiven japanischen Schuhpflegeprodukten nebst Beratung zu betreiben.


Die Krux der Textileinzelhändler ist eher, dass 90% des Verkaufspersonals selbst nur begrenzt Ahnung haben und die dortige Beratung selten als Mehrwert empfunden wird. Ein paar leuchtende Ausnahmen bestätigen diese Regel, aber es ist jenseits von MTM-Beratung schon lange her, dass ich irgendeinen Verkäufer hatte, auf dessen Beratung ich irgendeinen Wert gelegt hätte. (Jüngstes Beispiel ein Schuhladen in Münster, in dem die Verkäuferin meiner Frau was vom berühmten "E-Leisten" von Crockett & Jones erzählte, obwohl auf der Schachtel unter "Last" dick "617" stand und die Weite als E ausgezeichnet war. Für so eine Beratung würde ich gerne noch was abziehen, da ich erfolglos 5 Minuten damit verbracht habe, der Verkäuferin zu erklären, dass "Last" das englische Wort für Leisten ist, bei C&J alle Leisten in der Regel mit dreiziffrigen Zahlen ausgezeichnet sind und Buchstaben typischerweise eine Weitenangabe sind. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mir das geglaubt hat. Von Barker hatte sie übrigens noch nie was gehört (meine Frau liebt den 5024-Leisten und wollte nach einem vergleichbaren C&J-Leisten fragen).

Da kann ich auch im Internet auf Verdacht bestellen, dann stellt mir bitte einen Laden hin, wo jeder Leisten in jeder Größe da ist, dann bezahle ich pro probierten Schuh auch gerne zwei Euro, lasse mir keine dummen Stories ins Ohr schrauben und bestelle dann online, was mir gepasst hat.
 
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