"Freiwillige vor"

Jerick

Well-Known Member
Ich nehme mal Bezug auf die Kolumne von Hr. Roetzel mit dem Titel "Freiwillige vor".

Ja, wieso wagen so wenige den Schritt und werden Maßschneider? Ich fände es interessant, welche Meinung die hier Anwesenden dazu haben?

Auch ich habe schon öfter überlegt, diesen Schritt zu wagen...
 
Die Angst davor das mein Hemd/Anzug nachher nicht genauso aussieht wie ich mir vorgestellt habe.Im Laden sehe ich ja was ich kaufe, WYSIWYG kann man sagen :)

Bisher hatte ich das Glück das mir RTW mit wenigen Änderungen ziemlich gut passt, also sehe ich noch keinen Grund zum Maßschneider zu gehen.

MfG

M.Richter
 
Nun, der erste Satz der Kolumne war eigentlich ausschlaggebend. Ich zitiere:

"Warum werden so wenige Fans des klassischen Stils Maßschneider?"

Es ging also weniger um die Frage wieso man nicht zum Maßschneider geht, sondern eben einer wird. Und ich fände interessant, welche Gründe die hier Versammelten finden, außer vllt. die berühmten "miesen Zukunftsaussichten", die man bei fast jedem Beruf hört.
 
Nun, die Gleichung scheint dem naiven Betrachter —will sagen: mir— recht einfach zu sein:

Guter Stil in jeder Hinsicht rührt von einer gewissen Erziehung und Bildung her wie sie in bürgerlichen Familien exerziert und tradiert wird. Diese gesellschaftliche Schicht schließt den Schulweg in der Regel nicht mit mittlerer Reife ab und studiert zum überwiegenden Teil. Provokant formuliert aber in gewisser Weise logisch: Warum sollte ich mich als Abiturient unter Wert verkaufen? Zudem entwickelt sich ein konkretes Bewußtsein für modische Finessen nicht selten erst weit nach der Schul- oder Studienzeit. Zug abgefahren.

So sehe ich das.
 
Hi Florian,

diese Gleichung stellt wohl fast(!) jeder Abiturient auf...;) Ich meistens auch.

Aber..eben dieses Dilemma zwischen dem berühmten "Hobby-zum-Beruf-machen" und Unterwert verkaufen, ist genau das, über das ich sehr oft nachdenke. Aber ist denn eine Ausbildung unter wert? Ist ein erfolgreicher, gut arbeitender Maßschneider weniger Wert als ein guter Jurist?

"Zudem entwickelt sich ein konkretes Bewußtsein für modische Finessen nicht selten erst weit nach der Schul- oder Studienzeit. Zug abgefahren."

Wieso kann man eben nicht dieses Bewußtsein im Beruf entwickeln? ;-)

Grüße,

Jerick
 
Um es wie Anton Moonen zu sagen:"Ich zöge es vor, arbeiten zu lassen als selbst zu arbeiten"
Will heißen: Wenn man sich dem Druck der Perfektion, den die Kunden mit Sicherheit verlangen, unterwirft denke ich verblasst mit der Zeit die Faszination an der Mode ans sich, meiner Ansicht nach wird es nach wenigen Jahren nur der Mittel zum Zweck Geld zu verdienen, ausser man hat ausserordentliche Skills darin sich selbst zu motivieren...
 
Warum sollte ich mich als Abiturient unter Wert verkaufen?

Wenn wirkliche Leidenschaft vorhanden ist, spielt die Frage keine Rolle.

Den Wert seiner Arbeit bestimmt man ja auch nicht selbst, sondern der Auftrag- oder Arbeitgeber. Im Angestelltendasein, wie auch in der Selbstständigkeit heisst es deshalb jeden Tag sein Bestes geben zu müssen.

Vielleicht kennt das jemand von euch, es wird in der Psychologie von einem "flow" gesprochen, wenn es um die Ausführung von Tätigkeiten geht. Wer so etwas schon mal erlebt hat, der weiss was das für ein wunderbares und befriedigendes Gefühl ist. Man kann sogar süchtig danach werden :)

Einen solchen Flow sehe ich aber bei sehr wenigen Menschen in den Branchen, die uns alle beschäftigen. Vielmehr geht es den meisten darum Wert zu schaffen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern - in solchen Situationen ist man vom qualitativen Mittelmaß leider nicht weit entfernt.

Mehr zu flow siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_(Psychologie)

Meine Behauptung: Erst wenn in der Masse der Gesellschaft wieder angekommen ist, dass Stil und Kleidung etwas zählt wird es auch wieder Stars im deutschen Schneiderhandwerk geben - und zwar solche, die das nicht durch Marketing herbeiführen müssen, sondern solche die wirklich von ihren Kunden zu Königen gemacht werden.

Ganz ehrlich: Einen Beitrag zu dieser Entwicklung soll auch das Stilmagazin leisten, weshalb wir auch nicht nur für die oberen 1000 schreiben, die sich eh schon mit allem auskennen. Das mag dem ein oder anderen vielleicht schon mal etwas oberflächlich erscheinen, aber wir müssen auch die ansprechen, die noch wenig Ahnung vom Thema haben.

Aber zurück zu Jerick`s Frage: Ich habe nach meinem Abitur auch mehrere Gedanken daran verschwendet in die Richtung Maßschneider / Herrenausstatter zu gehen - aus verschiedenen Gründen kam es damals nicht dazu.

Vielleicht fehlt in diesem Moment auch das entscheidende Quentchen Leidenschaft für diesen Weg...

Grüße

AG
 
Nun, die Gleichung scheint dem naiven Betrachter —will sagen: mir— recht einfach zu sein:

Guter Stil in jeder Hinsicht rührt von einer gewissen Erziehung und Bildung her wie sie in bürgerlichen Familien exerziert und tradiert wird. Diese gesellschaftliche Schicht schließt den Schulweg in der Regel nicht mit mittlerer Reife ab und studiert zum überwiegenden Teil. Provokant formuliert aber in gewisser Weise logisch: Warum sollte ich mich als Abiturient unter Wert verkaufen? Zudem entwickelt sich ein konkretes Bewußtsein für modische Finessen nicht selten erst weit nach der Schul- oder Studienzeit. Zug abgefahren.

So sehe ich das.

Eigentlich stimme ich in vielen Punkten mit Ihnen überein und lese auch ansonsten gerne Ihre Kommentare. Diesem aber möchte ich wiedersprechen (Entschuldigung an alle anderen für off-topic)! Die Pauschalisierung das jeder gutbürgliche Jugendliche mindestens Abitur erwirbt (hat heute nicht mehr den Wert wie zu meiner Zeit) und dann höheres anstrebt ist schlicht und einfach falsch. Ich unterlege dieses gerne in einer PN mit Zahlen. Falsch, warum? Erstens (kein Scherz) schauen Sie sich mal an wieviele Verkäufer und FK z.B. bei PuC Abitur haben (Vor dem Studium habe ich einen Handelsassistenten gemacht, in einer anderen Gruppe waren reine PuC HA`s alle mit Abitur - wobei ich eine Karriere im Handel nicht abwerte! Ich bin selbst im Handel tätig! Allerdings scheint es hier ja eher um "Topkarrieren" zu gehen). Wieviele Studienabbrecher es gibt und wer Mittelklassig trotz Studium und Abitur bleibt (es gehören ja auch viele externe Faktoren zum Erfolg mit dazu).

Andreas stimme ich voll und ganz zu. Werte sind das WAS fehlt. Somit könnte auch wieder Begeisterung für ein so elegantes Handwerk entstehen - und Wertschätzung für Arbeit und Person.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben