defensortweedei
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So auch meine Vermutung. Sicher gab es früher mehr Verhalten, das nach Respekt aussah (und wohl oft einfach Angst war), aber: vor wem. Dem Lehrer und dem Pfarrer, sicher; sicher aber nicht vor "Ausländern", Homosexuellen, etc.
Auch das halte ich nicht fuer einen echten Unterschied zwischen frueher und heute. Hierin hat sich einzig die Definition der zu respektierenden Personengruppen verschoben. Frueher durfte man, je nach Zeitabschnitt, gegen Ketzer, Auslaender, Homosexuelle, Kommunisten poebeln, ja es wurde sogar mehr oder weniger gesellschaftlich erwartet, gehoerte also zum "Anstand", zum "guten Benehmen" dazu, dass man diese Ansichten vertrat, waehrend andererseits Kaiser, Kirche, Lehrer und Honoratioren zu ehren waren. Heute hat sich dieses in vielen Bereichen exakt umgekehrt, wer sich gegen Homoehe, Inklusion und Multikulti aeussert, riskiert soziale Aechtung, wer sich hingegen allzu positiv ueber konservatives Christentum, die politische Rechte oder hart kapitalistisches Investmentbanking aeussert, riskiert zwar nicht mehr sein Leben aber durchaus seine gesellschaftliche achtung, sein Karriere oder zumindest den allgegenwaertigen shitstorm.
Ich habe nicht das gerigste Interesse, hier eine "das wird man doch noch sagen duerfen"-Diskussion loszutreten, die dann bald wieder bei Sarazzin und Konsorten endet, was ich damit illustrieren will ist lediglich: Das Instrument der Angst vor gesellschaftlicher Aechtung als Druckmittel zur Erzeugung sozial erwarteter Verhaltensweisen bzw oeffentlich geauesserter Weltanschauungen funktioniert wie ehedem, und das wird auch sicher so bleiben. Somit bleiben "Respekt", "Anstand", letztendlich alle Werte und Tugenden stets ein Produkt aus innerer Haltung und auesserer Erwartung, gesellschaftlichem Konsens.