Luteno
Well-Known Member
Hmmm, natürlich gibt es wie in jeder bedeutenden Weinregion auch in Burgund exzellente Weine, aber das Preisniveau übersteigt ja jede andere Region um Faktoren. Das fängt unten an, wo es unter 60,- pro Flasche gar nicht so leicht ist, überhaupt nur irgendwas Ordentliches zu finden, was woanders nicht für viel kleineres Geld zur Verfügung steht (Chablis mal ausgenommen, aber das ist ja ein spezieller, etwas sperriger Stil), und geht im oberen Bereich völlig aus dem Ruder. Selbst im notorisch überteuerten Bordeaux sieht das noch um Größenordnungen zahmer aus, da gibt es unzählige gute bis große Weine auch jenseits der bekannten Statussymbole.
Der Trick Burgunds zur Preistreiberei ist mMn die künstliche, unter vielen Erzeugern zu Parzellen zerstückelte Lagenvielfalt, mit der man extrem kleine Auflagen von Abfüllungen ermöglicht, die dann bei großem Sammlerinteresse zu nachfragegetriebenen Preissprüngen führen und infolgedessen das ganze Preisniveau nach oben drücken.
Pinot Noir und Chardonnay aus anderen Weltregionen schmecken häufig anders, das ist schon richtig, aber das gilt ja für beliebige Rebsorten, Riesling und Gewürztraminer, Touriga Nacional und Nebbiolo sind viel weniger international verbreitet und trotzdem viel weniger Ziel von Spekulation. Einen kellertechnischen Vorsprung kann ich da speziell gegenüber Übersee nicht sehen.
Auch das Champagne-Beispiel spricht eher dagegen, der weit überwiegende Ausstoß in der Breite besteht aus labberiger, absichtlich überzuckerter Alkohollimonade für Nicht-Weinliebhaber, die es für 40-50€ etwas prickelnd im Mund haben wollen. Die raren Spitzen, einige interessante Winzerchampagner und manche Abfüllungen kleinerer Häuser können natürlich super sein, aber in der italienischen Franciacorta macht man sich mit klimatischem Vorteil schon seit einigen Jahren daran, sehr erfolgreich dagegen zu arbeiten. Ist natürlich bislang nur eine kleine, wenig bekannte Region ohne den Champagner-Statussymbolvorteil, aber es zeigt ja, dass es mit den gleichen Rebsorten auch woanders geht.
Burgunderweine sind begehrte High-End-Sammelobjekte unter solventen Leuten, die damit den Markt auch als Ganzes bewegen. Der berühmt-berüchtigte Rudy-Kurniawan-Fälschungsskandal vor ein paar Jahren war da sehr vielsagend. Da waren auch ein paar Bordeaux dabei, aber „Dr. Conti“ hatte schon die Burgunderfreunde bzgl. extremer Zahlungsfreudigkeit besonders auf dem Kieker.
Das sind interessante Gedanken, die ich fast ausnahmslos teile. Ich habe sozusagen ergänzend meine Einschätzung zum Ursprung des Hypes genannt - dass die oberen paar % im Burgund nochmal erheblich mehr Aufschlag kosten, als sonst, hat heute sicher viele Gründe (wie sicherlich die von Dir angesprochene erbrechtliche Sonderstellung die zu kleinsten Parzellen führt).
Bezüglich der Zuckerplörre will ich aber zart widersprechen: auch ich bin kein Freund von Moet und Co. Aber es ist doch überraschend, dass in Blindverkostungen selbst die Deutschen Spitzenproduzenten für Schaumwein wie Raumland, Schloss Vaux etc. im Vergleich mit selbst einfachen Champagnern großer Häuser nach wie vor regelmäßig das Nachsehen haben. Und selbst die Massenware schneidet verglichen mit teuren Winzerchampagnern objektiv oft gar nicht schlecht ab, mir fallen ein Video von Konstantin Baum und eines vom Wineking dazu ein.
Sprich die Basisqualität ist (auch aufgrund der strengen Regulierung vor Ort) bei Champagner immer hoch. Ich finde die Unterschiede zu Top-Erzeugern geringer als beim Stillwein. Zwei meiner liebsten Produzenten sind André Clouet und Frederic Savart. Ein Grand Cru Champagner kostet bei Clouet 38.- €, bei Savart 250.- €, in diesem Ausmaß ist für mich sicher kein Unterschied erkennbar. Bei zwei Flaschen Wein mit diesem Preisutnerschied ist das sehr sehr selten.