Um das nochmal klarzustellen: Ich bin alles andere als ein Freund "blauäugiger" Bestellungen, halte es aber für anmaßend, dem Schneider so viel dreinzureden, wie es einige hier propagieren. Um das tun zu können, braucht es ein Maß an Kenntnis und Erfahrung, über das fast niemand verfügt....
Aber, mit Verlaub, es geht doch nicht um die zugespitzte Wahl zwischen entweder "blauäugigen Bestellungen" oder fachmännischen Anweisungen , sondern bloß um die Art der Dokumentation der festgelegten und i. W. sichtbaren Äußerlichkeiten. Auf die Idee, Vorgaben zum Nahtmaterial, zur Art des Pikierens, der Futterfixierung, des Ärmelschlitzabschlusses, der Nahtzugabe etc. zu erteilen, wäre ich auch gar nicht gekommen. Es geht einzig darum, im Fall solcher stets zu treffenden die tatsächlich (und ggf. schon vorab) getroffenen Festlegungen schriftlich (selbst) zu fixieren. Was konkret ich mir hierbei anmaße, ist mir schlichtweg unerfindlich.
Ich handhabe das Problem der mangelnden Bestätigung so: Ich selbst kann mir jeden meiner Wünsche merken und kontrolliere alles bei den Anproben. Was nicht passt, wird nachgebessert und zwar so lange, bis es passt. Die Unverschämtheit, zu behaupten, ich hätte etwas ursprünglich anders bestellt, hat sich noch niemand geleistet bzw. nicht durchsetzen können. Wenn es nach den ersten Bestellungen wiederholt zu Problemen mit der Zuverlässigkeit kommt, lege ich keinen Wert auf eine weitere Zusammenarbeit. Zuverlässiges Arbeiten ist ein Teil der Leistung, für die der Kunde bezahlt. Bei Nichterfüllung sehe ich keinen Grund, ihm diese Arbeit abzunehmen.
Derartige Probleme hatte ich nie, und meine den Grund zu kennen, nämlich die beiderseitige Gewißheit. Auch gehöre ich zu denen, die Irrtümer über tatsächlich geäußerte eigene Wünsche erfahrungsgemäß für möglich halten - und keineswegs nur solche beim Anderen.
In der Schneiderei ist zwar nicht gebräuchlich, dem Kunden ein Leistungsverzeichnis oder einen Kostenplan zu überlassen. Bei sonstigen detailreichen Handwerkerleistungen ist das Gegenteil der Fall, etwa in der Schreinerei, der KFZ-Wartung, dem Bauhandwerk, dem Raumaustatterhandwerk etc. Mir will durchaus nicht einleuchten, weshalb dasselbe hier sinnvoll, dort aber riskant, anmaßend und was auch immer sein sollte. Die andere Lösung - historische Gebräuche hin oder her - wäre freilich, so etwas den Schneidern abzufordern .....
Und selbst wenn es absolut stringente Sachargumente für oder gegen die eine oder die andere Verfahrensweise geben sollte, kann man's trotz allem so halten: Chacun à son goût.