Bespoke auf dem Lande - Zur Diskussion

Mein Traum wäre ein solchermaßen sitzendes Sakko wie auf den beiden Photos unten zu sehen. Ob ich dem Schneider diese Bilder als Vorbild bzw. Zielvorlage mal zeigen sollte?
Grüße, Hagen
 
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Zunächst danke an ATLien, der mir diese Kritikpunkte bzgl. Anzugs abgenommen hat (wenn ich Zeit finde, kommt der Rock auch noch dran).

Ein Tip: Meinem Schneider händige ich bei jedem neuen Auftrag eine ein- bis zweiseitige Liste mit bis zu zwei Dutzend exakten Anweisungen ein, die auch kleine Graphiken enthält (würde ich selbst bei Dietl oder Sicking, beide erste Adressen und ebenfalls in München, so machen). Die Liste wird dann ggf. beim ersten Termin und ggf. auch bei den Proben noch etwas geändert. So bleibt (fast) nichts dem Zufall überlassen. Er schätzt das, und so arbeiten wir schon viele Jahre glücklich zusammen.

Auch er (mittlerweile geht er auf die 80 zu, Gott schenke ihm ein langes Leben) hat meinen Stil und meine Gestalt erst ab dem dritten Stück voll getroffen bzw. begriffen. Die Paßform bei den ersten zwei Röcken war schon sehr gut, aber eben nur fast perfekt. Trotzdem ist bei ihm auch seit dem Dritten jedes Stück etwas unterschiedlich. Kein Stück gleicht im Schnitt komplett einem andern. Die individuelle Eigenart jedes einzelnen, selbst bei identischen Vorgaben, kenne ich sehr genau.

Der Weg zur vollständigen Zufriedenheit war übrigens von durchaus kontroversen Diskussionen begleitet (Cravate Noire hat vor ca. zwei Jahren ja ebenfalls davon berichtet, scheint also durchaus nichts völlig Anomales). Denn mein Schneider begreift sich als Kreativen mit ganz eigenen Vorstellungen, auf welche Weise ein Stück gut aussieht. Da muß Mann sich teils durchsetzen, teils an einander gewöhnen und teils auch zusammenraufen, etwa was die Taille betrifft, die Pattenform, die Ärmellänge, den Kragenansatz, die Lage der Frontknöpfe, die Anzahl und Lage sowie Tiefe der kleinen Innentaschen in den Außentaschen, die Länge der Übertritte, Farbe und Material der Knöpfe etc.

Demnächst kommt wieder mal ein Mantel dran. Jeder Termin ist die reine Freude, nun schon viele zig Mal.

P. s. um allfälligen Nachfragen vorzubeugen: Er arbeitet nur noch für sehr wenige alte Kunden.
 
Hallo Hagen,

zunächst mein Kompliment zur schönen Instrumentensammlung.

Von dem Anzug bin ich nicht ganz so begeistert. Bei allen Kommentaren muss natürlich berücksichtigt werden, dass ich davon ausgehe, dass die auf den Fotos sichtbare Passform nicht einer verkrampften Körperhaltung geschuldet ist.

Anbei habe ich auf zwei Deiner Fotos einige Schwachstellen (natürlich nur meine persönliche Meinung) markiert, die bei RTW vielleicht OK wären, aber bei MTM und insbesondere Vollmaß nicht sein sollten.

1) Vorderansicht:
Hier empfinde ich die Falten am Schulteransatz als unschön und finde, dass hier der Ärmelstoff sauber fallen sollte. Ich würde dies beim Schneider ansprechen.
Grundsätzlich sollte rund ein halbes Zoll der Hemdmanschette sichtbar sein. In Deinem Fall kommt mir dies aber schon nach deutlich mehr vor. Unter Umständen könnte es nicht schaden die Ärmel einen Tick länger zu machen.

2) Hinteransicht:
Oben in der Mitte gibt es eine leichte Falte, was anzeigt, dass hier der Stoff spannt.
Dann gibt es auch noch an der Taille Querfalten, was auch Deiner Gewichtsveränderung geschuldet sein kann und leicht zu beheben sein dürfte.
Was man hier aber wiederum an dem starken Faltenwurf sieht: Die Schultern und der Ärmelansatz passen nicht richtig (hier ist viel zu viel Stoff). Hier sollte Dein Schneider nochmal den Schnitt komplett überarbeiten.

Ich nutze mal diesen Beitrag, weil hier die Bilder so schön markiert sind.
Die ärmelfalten seitlich sehen nach zu hoher ärmelkugel aus. Du bist in der Länge linksgeneigt, daraus resultiert die Längsfalte neben dem linken Armloch. Dort bräuchte es weniger Länge, bzw man kann das durch Verstärkung des linken schulterpolsters lösen. Die Querfalten in der hinteren Mitte im taillenbereich bedeuten zu lange rückenlänge. Daher staucht das. Zu den Falten an der hinteren ärmelnaht kann ich leider nichts sagen.
 
Ein Tip: Meinem Schneider händige ich bei jedem neuen Auftrag eine ein- bis zweiseitige Liste mit bis zu zwei Dutzend exakten Anweisungen ein, die auch kleine Graphiken enthält (würde ich selbst bei Dietl oder Sicking, beide erste Adressen und ebenfalls in München, so machen). Die Liste wird dann ggf. beim ersten Termin und ggf. auch bei den Proben noch etwas geändert. So bleibt (fast) nichts dem Zufall überlassen. Er schätzt das, und so arbeiten wir schon viele Jahre glücklich zusammen.
Das höre ich immer mal wieder, halte das aber für nachgerade gefährlich. Für wen ist die Liste denn gedacht? Für den Schneider, aus Misstrauen in dessen Können? Für den Kunden, aus Misstrauen ins eigene Gedächtnis? So oder so: Ich finde, es muss unbedingt auch ohne gehen.



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Ein Tip: Meinem Schneider händige ich bei jedem neuen Auftrag eine ein- bis zweiseitige Liste mit bis zu zwei Dutzend exakten Anweisungen ein, die auch kleine Graphiken enthält.

Das höre ich immer mal wieder, halte das aber für nachgerade gefährlich. Für wen ist die Liste denn gedacht? Für den Schneider, aus Misstrauen in dessen Können? Für den Kunden, aus Misstrauen ins eigene Gedächtnis?

Ich bin der Meinung, man sollte nicht mit einer fix-und-fertigen Liste zum ersten Auftragsgespräch aufkreuzen, glaube aber eine Unterlage worauf sich Auftraggeber und -nehmer geeinigt haben sollte beiden Parteien zur Verfügung gestellt werden. Heutzutage kann das überhaupt kein Problem sein: Man gibt all die wichtigen Punkte während des Gesprächs in einen Laptop und druckt dann am Ende eine Kopie aus, die der Kunde sich mit nach Hause nehmen kann.

Leider habe ich es mehr als einmal erlebt, daß Dinge auf die wir uns geeingt hatten "aus-Versehen-mit-Absicht" nicht ausgeführt wurden. Beispielsweise wurde vereinbart, daß bei einem Sakko die Taschen vor der ersten Anprobe noch nicht eingeschnitten sein sollten. Am Tag der Anprobe waren sie aber doch schon eingeschnitten, also können sie nicht höher oder tiefer gelegt werden ohne daß man ein neues Vorderteil zuschneiden muß.

Ein anderes Mal bei einem Paar Stiefel wo ich die Rahmennaht um den ganzen Absatz herum haben wollte und mir sogar 50 EUR mehr für das Vergnügen als Aufpreis in Rechnung gestellt wurden. Leider fehlte dieses Detail an den fertigen Stiefeln und weil es keine Unterlagen dazu gab, daß der Preis sich um 50 EUR erhöht hatte, zahlte ich Dummchen dieses nicht ausgeführte Extra auch noch.

Wenn mir eine Firma keine detailierte Auftragsbestätigung zukommen lässt, dann schicke ich eine Bestätigung die neben den wichtigsten sachlichen Details (also nichts "wie Fred Astaire in diesem Bild"), auch die vereinbarten Termine für Anprobe oder Fertigstellung enthält.
 
Das höre ich immer mal wieder, halte das aber für nachgerade gefährlich. Für wen ist die Liste denn gedacht? Für den Schneider, aus Misstrauen in dessen Können? Für den Kunden, aus Misstrauen ins eigene Gedächtnis? So oder so: Ich finde, es muss unbedingt auch ohne gehen.

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Das dient beiderseitiger Klarheit und hat nicht im Mindesten Mißtrauen zum Anlaß, sondern den sicher jedem schon widerfahrenen Umstand, daß Malentendus (gleich welcher Ursache) alles sind, nur nicht ausgeschlossen. Nachdem mein Schneider alleine arbeitet, schreibt auch kein Gehilfe mit. Und selbst wenn es sich dabei um eine gewisse Mitarbeit handeln würde, wäre ich immer gern dazu bereit. Jedenfalls ich selbst fahre langjährig bestens damit.

Die Schneiderei fertigt doch im Gegensatz zu vielen anderen Werkvertragsberufen keine Entwürfe oder Pläne, die der Auftraggeber als Ergebnis beiderseitiger Besprechungen erhält und die immer wieder angepaßt werden. Und doch ist der Schneider quasi in einem Architekt und Bauunternehmer des Kleidungsstücks mit allmählich fortschreitendem Ergebnis, das zunehmend unabänderlich wird und deswegen der Festlegung der wesentlichsten Parameter für und gegen beide Seiten bedarf. Mag sein, daß da bei mir der Beruf aufs Private durchschlägt - so sehe und halte ich's eben.

Wie und welche Risiken sich aus dieser Praxis sogar schlechterdings entwickeln könnten, darüber bin ich mir (noch) nicht im Klaren, würde es aber sehr gern erfahren.
 
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Das höre ich immer mal wieder, halte das aber für nachgerade gefährlich. Für wen ist die Liste denn gedacht? Für den Schneider, aus Misstrauen in dessen Können? Für den Kunden, aus Misstrauen ins eigene Gedächtnis? So oder so: Ich finde, es muss unbedingt auch ohne gehen.

Ich muss meinen Vorschreibern recht geben. Es kommt natürlich auch immer auf die Person des Schneiders an. Mein Schneider ist in der selben Altersklasse wie Dyanam seiner und auch bei mir war es bei den ersten Stücken ein Kampf, wer den größeren Dickkopf besitzt. Irgendwann läuft es dann entweder oder man muss sich trennen.
Kann sein, dass sich dies bei jüngeren Schneidern anders verhält.

Auch die etwas verplante Natur mancher Zeitgenossen muss man berücksichtigen. Ich weiß genau, wenn ich 3 Hemden bestelle und nicht minutiös notieren lasse, welches wie auszusehen hat, bekomme ich zwar alle Merkmale, aber nicht an den richtigen Hemden. Mir in der Regel relativ wurscht, weniger entspannte Gemüter finden das aber vielleicht nicht so toll.

Man sollte es nicht übertreiben, wie mancher auf SF, der sich dann über die resultierenden Monsteranzüge wundert, aber nur Stoff und Reversart aussuchen und das Beste hoffen ist auch ein wenig blauäugig.
 
Auch er (mittlerweile geht er auf die 80 zu, Gott schenke ihm ein langes Leben) ......
P. s. um allfälligen Nachfragen vorzubeugen: Er arbeitet nur noch für sehr wenige alte Kunden.

Guten Tag,
genau so verhält es sich auch bei meinem Schneider. Bis vor zwei Wochen war mein Kenntnisstand, daß er sich zur Ruhe gesetzt hat und nicht mehr arbeitet. Dann habe ich durch einen gemeinsamen Bekannten erfahren, daß er für alte Kunden noch manchmal Ausnahmen macht.
Nun habe ich, wie in mehreren Beiträgen geraten, zunächst einmal seine für mich angefertigten Werke zur Änderung und Überarbeitung gebracht. Dabei habe ich die hier genannten Detailpunkte anbringen können und bin nun gespannt auf das Ergebnis.
Vielen Dank für die Diskussion.
Grüße, Hagen
 
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Um das nochmal klarzustellen: Ich bin alles andere als ein Freund "blauäugiger" Bestellungen, halte es aber für anmaßend, dem Schneider so viel dreinzureden, wie es einige hier propagieren. Um das tun zu können, braucht es ein Maß an Kenntnis und Erfahrung, über das fast niemand verfügt. Ich habe auch noch nie erlebt, dass Anfertigungen von solchen "Spezialkunden" besser aussahen als "gewöhnliche" – im Gegenteil.

Ich handhabe das Problem der mangelnden Bestätigung so: Ich selbst kann mir jeden meiner Wünsche merken und kontrolliere alles bei den Anproben. Was nicht passt, wird nachgebessert und zwar so lange, bis es passt. Die Unverschämtheit, zu behaupten, ich hätte etwas ursprünglich anders bestellt, hat sich noch niemand geleistet bzw. nicht durchsetzen können. Wenn es nach den ersten Bestellungen wiederholt zu Problemen mit der Zuverlässigkeit kommt, lege ich keinen Wert auf eine weitere Zusammenarbeit. Zuverlässiges Arbeiten ist ein Teil der Leistung, für die der Kunde bezahlt. Bei Nichterfüllung sehe ich keinen Grund, ihm diese Arbeit abzunehmen.
 
Um das nochmal klarzustellen: Ich bin alles andere als ein Freund "blauäugiger" Bestellungen, halte es aber für anmaßend, dem Schneider so viel dreinzureden, wie es einige hier propagieren. Um das tun zu können, braucht es ein Maß an Kenntnis und Erfahrung, über das fast niemand verfügt....

Aber, mit Verlaub, es geht doch nicht um die zugespitzte Wahl zwischen entweder "blauäugigen Bestellungen" oder fachmännischen Anweisungen , sondern bloß um die Art der Dokumentation der festgelegten und i. W. sichtbaren Äußerlichkeiten. Auf die Idee, Vorgaben zum Nahtmaterial, zur Art des Pikierens, der Futterfixierung, des Ärmelschlitzabschlusses, der Nahtzugabe etc. zu erteilen, wäre ich auch gar nicht gekommen. Es geht einzig darum, im Fall solcher stets zu treffenden die tatsächlich (und ggf. schon vorab) getroffenen Festlegungen schriftlich (selbst) zu fixieren. Was konkret ich mir hierbei anmaße, ist mir schlichtweg unerfindlich.

Ich handhabe das Problem der mangelnden Bestätigung so: Ich selbst kann mir jeden meiner Wünsche merken und kontrolliere alles bei den Anproben. Was nicht passt, wird nachgebessert und zwar so lange, bis es passt. Die Unverschämtheit, zu behaupten, ich hätte etwas ursprünglich anders bestellt, hat sich noch niemand geleistet bzw. nicht durchsetzen können. Wenn es nach den ersten Bestellungen wiederholt zu Problemen mit der Zuverlässigkeit kommt, lege ich keinen Wert auf eine weitere Zusammenarbeit. Zuverlässiges Arbeiten ist ein Teil der Leistung, für die der Kunde bezahlt. Bei Nichterfüllung sehe ich keinen Grund, ihm diese Arbeit abzunehmen.

Derartige Probleme hatte ich nie, und meine den Grund zu kennen, nämlich die beiderseitige Gewißheit. Auch gehöre ich zu denen, die Irrtümer über tatsächlich geäußerte eigene Wünsche erfahrungsgemäß für möglich halten - und keineswegs nur solche beim Anderen.

In der Schneiderei ist zwar nicht gebräuchlich, dem Kunden ein Leistungsverzeichnis oder einen Kostenplan zu überlassen. Bei sonstigen detailreichen Handwerkerleistungen ist das Gegenteil der Fall, etwa in der Schreinerei, der KFZ-Wartung, dem Bauhandwerk, dem Raumaustatterhandwerk etc. Mir will durchaus nicht einleuchten, weshalb dasselbe hier sinnvoll, dort aber riskant, anmaßend und was auch immer sein sollte. Die andere Lösung - historische Gebräuche hin oder her - wäre freilich, so etwas den Schneidern abzufordern .....

Und selbst wenn es absolut stringente Sachargumente für oder gegen die eine oder die andere Verfahrensweise geben sollte, kann man's trotz allem so halten: Chacun à son goût.
 
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