@ Grzmblfxx
Ich stimme dir zu sehr, sehr großen Teilen zu! Insbesondere die scheinbar gezielte Falschinformation und Panikmache seitens der Medien - ich finde die Opposition hält sich da bisher eigentlich noch zurück - ärgert mich vehement.
Allerdings möchte ich einschränkend sagen, dass sich die Frage 25% Strom einzusparen nicht primär stellt in der AKW Frage!
1. Wir werden nicht alle AKW sofort abschalten. Das macht unter keinen Umständen Sinn. (Eine Abschaltung von einigen Reaktoren kann man hingegen tatsächlich überlegen.)
2. Sind wir Energieexporteur seit einigen Jahren. Unsere theoretischen Kapazitäten übersteigen bei weitem unseren eigenen Verbrauch. Auch die Schlagworte Grundlast und Maximallast spielen hier kaum eine Rolle.
Unsere bisher höchstens benötigte Maximallast liegt etwas über 80 Gigawatt in der Spitze. Die Grundlast liegt bei etwas über 40 Gigawatt. Unsere Kapazitäten einschließlich AKW und allen anderen Erzeugungsformen liegen aber bei über 140 Gigawatt.
Wie sich diese Aufschlüsseln (Basis 2009):
Kraftwerkstyp: Installierte Leitung in Gigawatt
Atomkraft: 20,3
Kohle-, Gas und Diesel: 71,3
Wasserkraft: 10,4
Erneuerbare Energien: 37,5
Gesamt: 139,5
Das zeigt, dass die 17 AKW nur in begrenztem Umfang Strom in unsere Netze liefern. Uneingeschränkt grundlastfähig ist Wasserkraft, Kohle, Gas und Diesel. Diese würden also schon (theoretisch) reichen, um unseren Spitzenbedarf zu decken. Ganz ohne AKW, ganz ohne der Tatsache, dass Lichter ausgehen würden, oder die Industrie in Produktionsprobleme käme. Die 37,5 Gigawatt (die eher größer sind, denn die Erneuerbaren legen stark zu) sind auch nicht gänzlich als nicht(!)-grundlastfähig zu bezeichnen.
Daraus folgt für mich:
1. Effizienz überall drastisch erhöhen und Maßnahmen fördern. Gerade die Industrie wird geradezu animiert Energie zu verschwenden (Die Unternehmen fallen aus der EEG Umlage heraus, bzw. dürfen herausfallen wenn ihr Energieanteil an ihrer Bruttowertschöpfung bestimmte Grenzen überschreitet. Das animiert Unternehmen in der Praxis dazu tatsächlich mehr Energie zu verbrauchen als nötig, um hier eine taktische Einsparung zu erzielen, die dann allen Bürger und allen in der Umlage verbleibenden Unternehmen umso stärker zur Last fällt.)
2. AKW sollen und dürfen keinesfalls stillgelegt werden, um dann stärker auf CO2 problematische Kohlekraft zu setzen.
3. Alte AKW (bei denen ja schon heute absehbar ist, dass sie nicht nachrüstbar sind) sollten tatsächlich final vom Netz genommen werden.
4. Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen dürfen nicht aus den Bundes- oder Landeshaushalten bestritten werden, und dürfen keinesfalls von der Brennelementesteuer absetzbar sein, sondern müssen originär von den Betreibern übernommen werden, die ein ureigenes Interesse an der absoluten Sicherheit haben sollten. Insbesondere weil diese eben gerade nicht versichert sind für den Fall eines (äußerst unwahrscheinlichen) GAUs.
5. Die Laufzeitverlängerungsfrage sollte ergebnisoffen gehalten werden. Wenn bis 5 Jahre vor Ende des originären rot-grünen Atomkompromisses die anderen Energieträger nicht so weit sein sollten, ist dann (!!!) der Zeitpunkt zu entscheiden. Nicht heute. Im Jahr 2000 hätten sowohl Befürworter als auch Kritiker nur gelacht, wenn man ihnen erzählt hätte, dass die Regenerativen heute bereits fast 30% an der Stromproduktion stellen. In sofern ist deren weitere Dynamik weiter nicht realistisch abschätzbar. Die AKW laufen uns ja nicht weg.
6. Es spielt für unseren eigenen (!!!) Weg erstmal keine Rolle, ob bereits jetzt Länder mitziehen! Herr Daimler hat sich damals auch nicht von Kutschen und Zu-Fuß-Gehern bei seinem Weg entmutigen lassen, eine sinnvolle Innovation weiterzuentwickeln. Eine Reife für den breiten Markt brauchte schon immer Zeit! Das ist für ich das Drittklässler-Argument schlecht hin ("Wenn die anderen in den Fluss springen, springe ich auch...")!
7. Die Endlagerfrage darf nicht weiter vertagt werden!
Ich halte das auch nicht für Atomkraft kritische Spinnerei, sondern eine höchst konstruktive Herangehensweise an dieses so sensible Thema.
Zudem möchte ich festhalten, dass die Medien auch weiter die Atomkraftmärchen erzählen. Es wird geradezu von einer Renaissance der AKWs gesprochen. Das ist falsch. Es gehen deutlich mehr Anlagen weltweit vom Netz, wie neue Anlagen gebaut werden! Es sind zwar diverse Anlagen geplant (teilweise seit Jahrzehnten), allerdings, kommen sehr viele nicht über diesen Status hinaus. Die Projekte werden im Schnitt immer 2-3 Mal teurer wie geplant. Viele Projekte werden abgesagt oder auf unbestimmte Zeit vertagt. Gleichzeitig gibt es weltweit kein einziges Endlager. All das sagen auch übereinstimmend immer mehr internationale Energieexperten.
Zudem wird die parallele Entwicklung verschwiegen: China hat gestern 40 Gigawatt neue AKW-Kapazitäten beschlossen. Was nicht gesagt wurde im gleichen Atemzug, ist die Tatsache, dass China auch 70 Gigawatt Neukapazitäten durch Windkraft beschlossen hat. Das China vor einigen Jahren unser Erneuerbares-Energien-Gesetz genommen hat, es verschärft hat und umgesetzt hat! China deckt sein Wachstum aus allen Energiequellen.
Ein paar weitere Fakten zum Thema:
- Photovoltaik trägt "nur 2%" (12 Mrd. kWh) zum aktuellen Strommix bei - kaum einer spricht über die Verdopplung innerhalb eines Jahres.
- Kernkraftwerke in BaWü unterliegen der Atomaufsicht, welche sich als Generalgutachter auf den TÜV SÜD stützt. Dieser ist eine Aktiengesellschaft, Haupteigner sind über den TÜV SÜD e.V. die Betreiber EnBW, Eon und Vattenfall. Sicherheitsproblematisch?
- Die derzeitige AKW-Diskussion konzentriert sich auf die Wahrscheinlichkeit von Tsunamis, Anschlägen und schweren Erdbeben, obwohl die schweren Unfälle der Vergangenheit auf menschliches und technisches Versagen zurückzuführen sind.
- Kernkraft gilt als unschlagbar billig. Sämtliche externen Kosten werden dabei auf Staat und Bürger umgelegt, Mega-Subventionen unterschlagen. Kein Betreiber ist gegen den GAU versichert.
- Photovoltaik gilt als überteuert und ineffizient. Seit dem Boom 2003 wurde die Effizienz um 25% erhöht, die Kosten/kWp um 60% reduziert (seit 1991 um 85%). Grund ist schlicht die Massenproduktion.
Ich würde mir einen faireren Umgang mit all diesen Themen wünschen. das Thema ist zu Recht zu heikel, als dass man über Panik Meinungsmache betreiben darf. Aber eben auch nicht über Falschinformationen über die sehr guten Alternativen zur Kernkraft.
Mit den besten Grüßen,
und den besten Wünschen für unsere japanischen Freunde,
Cecotto