Ich glaub, ich mach 'nen Schuhladen auf

Falls es mal irgendwann wirklich zu so einem Schuhladen kommt der von die betrieben wird, werde ich auf jeden Fall hingehen. Sicher nicht um Schuhe zu kaufen sondern einfach um die "Beratung" zu erleben. Ich bin mir sicher, die wird mir für ewig im Gedächtnis bleiben und wird mir bei vielen langweiligen oder unangenehmen Situationen - wie zum Beispiel bei einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt - ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Ich stelle mir das Verkaufsgespräch ungefähr so vor:

Kunde: Guten Tag, ich suche nach einem schwarzen Schuh für meine Hochzeit.

Urban: Hochzeit? Sie wollen heiraten? Ja heiraten, was ist dieses heiraten überhaupt. Der Bund für die Ewigkeit? Ich weiß es nicht. Ja das frage ich Sie! Wieso wollen Sie heiraten? Ich frage nur mal, vielleicht will ich auch mal heiraten. Shoes? Ja Sie brauchen Shoes für ihre Wedding. Aber why?

Kunde unterbricht: Ich suche nur schwarze Schuhe die ich zu meinem dunkelblauen Anzug tragen kann.

Urban: Was ist überhaupt MTM? *zählt 27 MTM Anbieter auf*. Nennen Sie mir doch mal einen Anbieter von echtem Sea Island Cotton (WISIC)? NM 2X2/170, also 4-ply/fädig. Bresciani, Sozzi, Falke? Bespoke! Brauchen Sie auch noch Socken? Ich habe auch Socken, ach nein Strümpfe, 4-ply, das bedeutet 4-fädig, klingt aber auf englisch geiler, damit jeder Trottel es checkt sag ich es aber nochmal auf Deutsch. Ja kommen wir zurück zum Thema. Schwarze Schuhe. Machen wir mal ein bisschen feed measurements, analytics, shoe care and so on. Ich habe hier für Sie Blake-Rapids aus Katalonien, Goodyear mit Risslippe...hhhmm aus Portugal und Bologna, Stagno, Bentivegna aus Morrovalle, Tubolare + Mocassini aus Napoli, handgenähte MTO+ MTM-Sneakers aus Montegranaro + sopresas desde el Japon. Wie wichtig ist Ihnen eigentlich Handarbeit? Jimenez, Corthay, Cuberta, Cleverley, Delos... wer kann mit diesen Namen schon etwas anfangen?

Kunde geht wortlos, Urban philosophiert noch etwas weiter und wirft Fragen in die nicht vorhandene Runde um sie kurze Zeit später selbst zu beantworten.
 
Gelesen habe ich das zwar nicht, war mir viel zu viel....

Die Beratung läuft ganz anders ab bei mir:
Gucke ob der Kunde eine überteuerten Schlips anhat, taxiere seinen Gesichtsausdruck, während er auf mich zukommt
schaue ich wie stark seine Hosen und seine Brusttasche ausgebeult sind, verlang' von ihn entsprechend Scheine oder
tippe einen Betrag in's Kartenlesegerät, dann bekommt er einen Karton und darf glücklich und zufrieden von dannen ziehen.
OK - den Händedruck bekommt er zweimal gratis.
Das dauert höchstens 2 Minuten - aber bei dem Andrang...:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Gelesen habe ich das zwar nicht, war mir viel zu viel....

Die Beratung läuft ganz anders ab bei mir:
Gucke ob der Kunde eine überteuerten Schlips anhat, taxiere seinen Gesichtsausdruck, während er auf mich zukommt
schaue ich wie stark seine Hosen und seine Brusttasche ausgebeult sind, verlang' von ihn entsprechend Scheine oder
tippe einen Betrag in's Kartenlesegerät, dann bekommt er einen Karton und darf glücklich und zufrieden von dannen ziehen.
OK - den Händedruck bekommt er zweimal gratis.
Das dauert höchstens 2 Minuten - aber bei dem Andrang...:D

Ich halte beides für absolut plausibel. Aber meiner Theorie nach ist es dann der Mittelweg aus Tobias und Urbans Antwort, also jede Menge leere Phrasen bevor der Kunde mit überteuerten Kartons abziehen darf.
 
Überteuerte Kartons?
Wie kommst Du bloß darauf?
Das ist der forentypische Agio-Discount-Sonderpreis, damit man auf die Restboxen dann kräftig Rabatt geben kann. :D
 
Das Problem bleibt, dass "Klasse statt Masse" in dreifacher Hinsicht für den Anbieter eine finanzielle Herausforderung darstellt:

Erstens ist die Zielgruppe überschaubar und damit auch die Umschlaggeschwindigkeit seines Sortiments,

Zweitens ist die Ware deutlich teurer als die Modeprodukte der üblichen Fabriken,

Drittens muss ein besonders breites Sortiment bereitgehalten werden, um die speziellen Bedürfnisse dieser Kundschaft angemessen zu bedienen.

Du kaufst also für besonders viel Geld ein breites Sortiment ein und bekommst es nicht verkauft, weil die Kundschaft derart picky ist, dass immer irgendwo das Haar in der Suppe gefunden wird. Viele kommen nur wegen des Gesprächs mit einem echten Schuhmacher und dann wollen die wenigen Käufer auch noch einen Forumsrabatt. :rolleyes:

Kannst mir jemand sagen, wie sich das rechnen soll?

Das stimmt natürlich, allerdings könnte man diese Problematik umgehen, indem man MTM oder MTO Schuhe anbietet und nur die verschiedenen Leisten in den unterschiedlichen Größen auf Lager hat. Der Rest geht geht auf Bestellung.

Ich habe in Frankfurt einen Laden entdeckt, der genau das anbietet. Hier habe ich was dazu geschrieben. Winziger Laden, der nur ein paar Beispielschuhe auf den verschiedenen Leisten vorrätig hat, der Rest läuft auf Bestellung. Die Beratung und die Herangehensweise waren so gut und anders als sonst, dass ich wirklich am überlegen bin, das nötige Geld für diese Schuhe zu investieren bzw. hier das Gefühl hätte in wirklich gute Schuhe zu investieren, bei denen Passform, Machart und Qualität an erster Stelle stehen.

Aber klar, ich weiß nicht, wie der Laden läuft und ob sich das rentiert. Man wird es sehen, wenn der Laden in 1, 2, 3 Jahren immer noch da ist.
 
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So ähnlich wäre es vorgesehen WENN mein altes Konzept umgesetzt werden würden plus neuere Ergänzungen:
Der Kunde sieht verschiedene Schuhmodelle,verschiedene Designs - welche hängt von den anwesenden Schuhmachern ab,
kann sich ein Modell als Basis aussuchen wie z.B. einen Oxford mit Flügelkappenbesatz ohne aufgesetzte Fersenkappe,
dafür mit Plastron usw. den er dann anhand seiner Wünsche zusammen mit dem Schuhmacher seiner Wahl so gestaltet
wie er ihn haben möchte.

Die Passform wird anhand von Anprobierschuhen ermittelt, und die Leistenform ggf. angepasst, dito die Schuhform darauf.

Selbstverständlich könnte es noch das komplette Sortiment der jeweils anwesenden Schuhmacher geben....
das müsste man dann sehen.

Wie schon betont wird es kein Schuhgeschäft "auf Rädern" sein - zu hoher logistischer Aufwand jeweils ein paar tausend Schuhe transportieren zu müssen.
Überschlagsrechnung:
Größen 39 bis 48 X verschiedene Weiten X Designs X Farben X Leder X ... X 5 Modelle pro Variante
Da wäre man dann schnell bei >100.000 und würde trotzdem nicht alle Kundenwünsche abdecken können.

Die Trunkshow von G & G zeigte ein paar "Defizite" auf bzw. war anders angelegt als dies hier jetzt angedacht ist,
denn es fehlten die Anprobierschuhe und anhand derer die Feinabstimmung auf die 2 Füße hätte vorgenommen werden können.
 
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Das ist ja ein Problem: Wenn man Schuhe MTM/MTO bestellen will, kauft man ein Design. Man muss ja aber erstmal einen entsprechenden Schuh getragen haben, um über die Passform einig zu sein. Was hilft das Design, wenn der Schuh nicht passt. Gut wäre, wenn tatsächlich eine größere Zahl an Probeschuhen zur Verfügung stände, um die Passform zu ermitteln und auch ein Gefühl für die verschiedenen Passformen zu bekommen. Das Aussehen festzulegen stelle ich mir vergleichsweise einfach vor. (Das liegt aber mglw. auch daran, dass ich an 90% aller Tage schwarze Captoe-Oxfords trage.)
 
Lös Dich doch einfach mal von diesen englischen Schuhversandtermini.

Stell dir vor Du gehst in eine Schreinerei und bestellst einen Tisch, einen Sekretär oder was auch immer Deine Frau gerade dringend braucht.

Zuhause aufmessen, alle Details und das Design mit dem Schreiner besprechen, und der macht dir das dann genau so wie Du das willst.
Verklicker dem mal:
Made to order - dann lacht der, da seine Kunden immer das Holz, die Farbe, das Design usw. festlegen auf ihrem schriftlichen Auftrag
Made to measure - dann schmunzelt er und sagt Dir, dass er alle seine Möbel nach Kundenmaßen macht

Über meine Erklärungen wird wohl gefrotzelt, aber scheinbar ist immer noch nicht klar wie Schreiner- und Schuhmachermeister
im Prinzip arbeiten - nach erteiltem Auftrag = auf Bestellung.
Da wird nichts vorgefertigt!
Das sind - einfach ausgedrückt - bespoke shoes w/o personally new last

Maßschuhe auf einem bereits vorhandenen oder auf einem vorhandenen aber auf den Kunden angepassten Leisten,
in diversen Ausführungen und Macharten, Leder, Sohlen, Farben, Formen, Absätzen, Ausputz...
je nach Lust und Laune der eigenen Börse, oder des vorgesehenen Budgets, Goodwill der besten Ehefrau von allen...

Der Kunde trifft alle Entscheidungen autonom - das, was er bestellt hat, wird geliefert.

Natürlich gibt es (An-) Probierschuhe, Musterschuhe, Maßbänder, Trittschaum, Papier, Bleistift, Durchschlagpapier usw..
 
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